Rz. 28

§ 312c BGB definiert Fernabsatzverträge als Verträge über die Lieferung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, die ausschließlich allein unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (§ 312b Abs. 2 BGB) abgeschlossen werden, wobei der Vertragsschluss im Rahmen eines dafür organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems zu erfolgen hat.[41] Fernkommunikationsmittel sind insbesondere Kataloge, Telefon und Telefax, E-Mails, SMS-Nachrichten, Teleshopping und vor allem das Internet. Sie ermöglichen eine Kommunikation ohne körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien.[42] Eine Besonderheit liegt vor, wenn im Stadium der Anbahnung des Vertrags vereinzelte persönliche Kontakte zwischen Käufer und Verkäufer oder Vertretern vorgelegen haben.[43] Die Anwendung des § 312c BGB ist daher ausgeschlossen, wenn während der Kontakte im Anbahnungsverhältnis der Käufer sich über jedweden Umstand, welcher den Vertragsschluss beeinflussen könnte, informiert hat und dann zeitnah der Vertrag im Zusammenhang mit diesen persönlichen Kontakten zustande gekommen ist. So etwa, wenn alle erforderlichen Umstände während dieser Verhandlungen mit persönlichem Kontakt erläutert worden sind, sich der Käufer jedoch noch Bedenkzeit auserbeten hat und dann innerhalb kürzester Frist per Fernkommunikationsmittel eine Bestellung aufgibt.[44] Diese Unsichtbarkeit von Vertragspartner und Produkt und die erschwerte Erfassung von nicht verkörperten Informationen begründen eine besondere Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers. Dem soll durch ein Widerrufsrecht des Verbrauchers und der Informationspflichten des Unternehmers begegnet werden.[45] Dementsprechend schließt nach zutreffender Ansicht jeder persönliche Kontakt der Vertragsparteien in der Phase der Vertragsanbahnung, z.B. die Probefahrt mit einem Vergleichsfahrzeug, einen Fernabsatzvertrag aus.

 

Rz. 29

Das Internet ist für einen Neuwagenkauf per Fernabsatzvertrag das bedeutsamste Medium. Es existieren zahlreiche Autobörsen, wobei jedoch erst 20 % der Neuwagenbestellungen nicht in den Geschäftsräumen eines Händlers aufgegeben werden[46] und davon wiederum nur ein Bruchteil mittels Internet geschlossene Fernabsatzverträge sind. Häufig wünscht der Kunde vor Kaufabschluss persönlichen Kontakt zum Händler, möchte das Fahrzeug in Augenschein nehmen und eine Probefahrt durchführen. Dennoch hat der einst für den Handel problematische Vertriebsweg über das Internet mittlerweile an Reiz gewonnen.

 

Rz. 30

Dem Käufer steht beim Fernabsatzvertrag ein zweiwöchiges Widerrufsrecht gem. § 312d BGB i.V.m. § 355 BGB zu, das er binnen einer Frist von zwei Wochen ausüben muss, sofern er bei Vertragsschluss darüber belehrt (§ 355 Abs. 2 BGB) und gem. § 312c Abs. 2 BGB informiert wurde. Die Frist beginnt erst ab Wareneingang beim Käufer (§ 312d Abs. 2 BGB).[47] Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist vom Unternehmer zu beweisen. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Belehrung, so erlischt das Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB gar nicht. Ist der Informationspflicht nicht genügt worden, wird die 14-­tägige Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt, aber das Widerrufsrecht erlischt sechs Monate nach Lieferung der Ware.[48] Durch § 312d Abs. 2 BGB wird eine Vereinbarung der Vertragsparteien i.S.v. § 308 Nr. 1 Hs. 2 BGB, das Neufahrzeug erst nach Ablauf der Widerrufsfrist zu liefern, ausgeschlossen.

Neufahrzeuge sind nur solche, die bis zum Zeitpunkt der Veräußerung ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch als Verkehrsmittel noch nicht zugeführt wurden.[49] Nach den allgemeinen Vorschriften des § 346 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 3 BGB ist eine Haftung für Verschlechterungen durch Ingebrauchnahme ausgeschlossen, sowie für Verschlechterungen, die trotz Beobachtung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten eingetreten sind. Die Haftung umfasste gem. §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB aufgrund der Ausschlusstatbestände nur Wertersatz für gezogene Gebrauchvorteile. Die Wertminderung durch erstmalige Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs, insbesondere eines ca. 20 %-igen Wertverlustes durch die Erstzulassung wurde dem Händler nicht ersetzt, da die Höhe des Wertersatzes nach dem Wert des Gebrauchsvorteils und damit zeitlich linear nach der Dauer des Gebrauchs im Verhältnis zur Gesamtnutzungsdauer des Vertragsgegenstandes zu bestimmen war.[50]

 

Rz. 31

Mit Einführung des § 357 Abs. 3 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurde dieses Risiko auf den Verbraucher abgewälzt. Der Händler kann aufgrund dieser Norm Wertersatz für den Wertverlust durch eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme des Fahrzeugs vom Käufer verlangen, auch wenn der Käufer die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten beachtet.

 

Rz. 32

Voraussetzung ist die ausdrückliche Belehrung des Käufers darüber gem. § 355 Abs. 2 BGB i.V.m. § 14 BGB-InfoV.[51] Die Belehrung hat u.a. darüber Auskunft zu geben, wie der Verbraucher die Wertminderung vermeiden kann. Sie ist dem Käufer in Textform bis spätestens zur Auslieferung der W...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?