Rz. 37

Keine Vorgaben macht das deutsche Recht zur Frage, ob ein Arbeitsvertrag nur in deutscher oder ggf. auch in einer Fremdsprache geschlossen werden kann. Insbesondere folgt Derartiges auch nicht aus den Regelungen zur Amts- und Gerichtssprache in Deutschland (§ 23 Abs. 1 VwVfG, § 184 S. 1 GVG). Arbeitsverträge können daher grundsätzlich – sei es nun mündlich oder schriftlich – in jeder beliebigen Sprache geschlossen werden. Praktisch verbreitet sind in einer Fremdsprache gefasste Verträge – meist betrifft dies die englische Sprache – auf den höheren hierarchischen Ebenen in multinationalen Unternehmensgruppen. Ab einer gewissen Ebene ist das Englische (oder auch eine andere Fremdsprache) dort häufig Arbeits- und auch Vertragssprache. Verwendet werden bisweilen auch zweisprachig (etwa Deutsch und Englisch) gefasste Verträge, die dann zur Vermeidung von Auslegungszweifeln auch eine Regelung über das Verhältnis der beiden Versionen des Vertrags zueinander enthalten sollten (etwa in dem Sinne, dass die englische Fassung des Vertrags nur dazu dient, Vorgesetzten im Ausland ein Mitlesen der Vertragsbedingungen zu ermöglichen, am Ende aber die deutsche Fassung des Vertrags rechtlich maßgeblich sein soll).

 

Rz. 38

Problematisch sind in der Praxis bisweilen die Fälle, in denen ein ggf. aus dem Ausland stammender, der deutschen Sprache nicht oder nur begrenzt mächtiger Arbeitnehmer einen in deutscher Sprache gefassten und evtl. noch dazu mit juristischen Termini gespickten Arbeitsvertrag unterzeichnet. Hier kann sich die Frage nach dem wirksamen Zustandekommen des Vertrags insgesamt bzw. nach der wirksamen Einbeziehung bestimmter Vertragsregelungen stellen, wenn der Arbeitnehmer den Vertrag unterzeichnet, obwohl er sprachlich nicht in der Lage ist, die Regelungen des Vertrags zu verstehen.

 

Rz. 39

Nach Auffassung des BAG trägt allerdings grundsätzlich der Arbeitnehmer das sog. Sprachrisiko. In einer Entscheidung vom 19.3.2014 stellt das BAG etwa klar, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht etwa allein deshalb intransparent sind, weil sie nicht in der Muttersprache des Arbeitnehmers verfasst sind[61] und dass fehlende Kenntnisse der deutschen Sprache grundsätzlich weder den Zugang des auf Abschluss des Arbeitsvertrags gerichteten Arbeitgeberangebots hindern noch der Deutung einer Unterzeichnung des Vertrags als Annahmeerklärung entgegenstehen.[62] Zutreffend verweist das Gericht zur Frage des Zugangs des Arbeitgeberangebots darauf, dass sich der Gesetzgeber in § 130 BGB bewusst für die sog. Empfangstheorie und gegen die sog. Vernehmungstheorie entschieden hat. Es komme mit Blick auf die für den Zugang nötige Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht auf die individuellen Verständnismöglichkeiten des Empfängers an. Im Interesse der Rechtssicherheit sei hier vielmehr zu generalisieren. Der sprachunkundige Arbeitnehmer stehe insoweit demjenigen gleich, der eine Urkunde ungelesen unterschreibt. Unbeachtlich war für das Gericht im Streitfall auch, dass die Vertragsverhandlungen zuvor in portugiesischer Sprache geführt worden waren.[63]

 

Rz. 40

Das BAG stellt in der Entscheidung schlussendlich auch klar, dass dem Vertragsschluss und der Einbeziehung der hier in Rede stehenden Ausschlussfrist in den Vertrag auch die Regelung des § 305 Abs. 2 BGB nicht entgegensteht, nach der Allgemeine Geschäftsbedingungen grds. nur dann Vertragsbestandteil werden, wenn der Verwender deutlich auf sie hinweist und der anderen Partei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen.[64] Dass dies so ist, folgt aus § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, nach dem die in § 305 Abs. 2 und 3 BGB vorgesehenen Regelungen bei der Kontrolle vorformulierter Vertragsbedingungen im Arbeitsrecht keine Anwendung finden.[65] Auch eine analoge Anwendung des § 305 Abs. 2 BGB scheidet nach Auffassung des BAG vor dem Hintergrund des klar entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens aus.[66]

Zu erwähnen ist allerdings, dass in den hier angesprochenen Fällen unter Umständen die Möglichkeit einer Anfechtung bestehen kann, wenn etwa ein Arbeitgeber die fehlenden Deutschkenntnisse des Arbeitnehmers bewusst ausnutzt, um ihn zur Unterschrift unter den Vertrag zu bewegen.[67]

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