Rz. 181
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung abgedr. ist in r+s 2003, 477 (ebenso in OLGR Bremen 2003, 385), hatten die Beklagten für die bis April 1991 eingetretenen Folgen des Erstunfalls einzustehen. Der Kläger habe bei dem Erstunfall eine leichte Beschleunigungsverletzung erlitten. Die organischen Beeinträchtigungen hätten zu einer ca. sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit geführt. Zudem sei der Kläger aufgrund einer unfallbedingten psychischen Störung in Form eines Schleudertrauma-Syndroms bis zur Wiederaufnahme seiner Berufstätigkeit am 1.4.1991 arbeitsunfähig gewesen, nicht aber darüber hinaus. Dies rechtfertige ein weiteres Schmerzensgeld von 1.000 EUR. Ausreichende Tatsachen für die Bemessung eines Verdienstausfallschadens in diesem Zeitraum habe der Kläger nicht dargetan. Spätere nach dem Zweitunfall vom 12.6.1992 eingetretene Verletzungsfolgen seien den Beklagten nicht zuzurechnen. Der Sachverständige Prof. Dr. R. habe einerseits eine symptomfreie Abheilung der Folgen des Erstunfalls vor dem Zweitunfall angenommen, andererseits sei er von einer Restsymptomatik sowie davon ausgegangen, dass die Folgen des zweiten Unfalls den Kläger die alten Beschwerden in Form einer "Reinszenierung" in verstärkter Ausprägung erleben ließen. Bei seiner mündlichen Anhörung habe der Sachverständige dies dahin präzisiert, dass durch den Erstunfall die allgemein anlagebedingt vorhandene Vulnerabilität des Klägers in relativ geringem Umfang gesteigert und akzentuierter geworden sei und der Erstunfall, wenn auch nicht gleichwertig, das Verhalten des Klägers nach dem zweiten Schadensereignis geprägt habe, weil er auf das weitere Ereignis infolge des vorausgegangenen Geschehens und unter Umständen auch nach dem Schema der Reaktion im Anschluss an den ersten Unfall reagiert habe. Es seien also nicht die Beschwerdesymptomatik und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen aus dem Erstunfall beim Zweitunfall noch vorhanden gewesen und durch das Schadensereignis verstärkt worden; erhöht worden sei vielmehr, wenn auch relativ geringfügig, die allgemeine Disposition zur Fehlverarbeitung eines HWS-Schleudertraumas. Eine solche lediglich in der Erhöhung der Vulnerabilität liegende Fortwirkung des Erstunfalls könne – so das Berufungsgericht – nicht mehr als Mitursache den psychischen Folgen eines weiteren Unfalls zugerechnet werden.
Rz. 182
Diese Beurteilung hielt revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand. Zutreffend war der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass die Beklagten auch für die psychischen Folgeschäden der vom Kläger durch den Unfall vom 18.2.1990 primär erlittenen HWS-Verletzung grundsätzlich haftungsrechtlich einzustehen hatten.
Rz. 183
Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats erstreckt sich die Ersatzpflicht des für einen Körper- oder Gesundheitsschaden einstandspflichtigen Schädigers grundsätzlich auf psychisch bedingte Folgewirkungen des von ihm herbeigeführten haftungsbegründenden Ereignisses (siehe Senatsurt. BGHZ 132, 341, 343 ff.; v. 2.10.1990 – VI ZR 353/89, VersR 1991, 432; v. 9.4.1991 – VI ZR 106/90, VersR 1991, 704, 705; v. 25.2.1997 – VI ZR 101/96, VersR 1997, 752, 753; v. 11.11.1997 – VI ZR 146/96, VersR 1998, 200, 201 und v. 16.11.1999, – VI ZR 257/98, VersR 2000, 372, 373). Dies gilt auch für eine psychische Fehlverarbeitung als haftungsausfüllende Folgewirkung des Unfallgeschehens, wenn eine hinreichende Gewissheit besteht, dass diese Folge ohne den Unfall nicht eingetreten wäre (vgl. Senatsurt. BGHZ 132, 341, 343 ff.; 137, 142, 145 m.w.N.; v. 25.2.1997 – VI ZR 101/96, a.a.O. und v. 26.1.1999 – VI ZR 374/97, VersR 1999, 862).
Rz. 184
Vorliegend war die Primärverletzung, als deren Folge die psychische Beeinträchtigung geltend gemacht wird, keine für die Begründung des haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhangs unzureichende Bagatelle. Eine Bagatelle i.S.d. Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine vorübergehende, im Alltagsleben typische und häufig auch aus anderen Gründen als einem besonderen Schadensfall entstehende Beeinträchtigung des Körpers oder des seelischen Wohlbefindens. Damit sind Beeinträchtigungen gemeint, die sowohl von der Intensität als auch der Art der Primärverletzung her nur ganz geringfügig sind und üblicherweise den Verletzten nicht nachhaltig beeindrucken, weil er schon aufgrund des Zusammenlebens mit anderen Menschen daran gewöhnt ist, vergleichbaren Störungen seiner Befindlichkeit ausgesetzt zu sein (BGHZ 132, 341, 346; 137, 142, 146 f.; Senatsurt. v. 25.2.1997 – VI ZR 101/96; v. 11.11.1997 – VI ZR 146/96, und v. 16.11.1999 – VI ZR 257/98 jeweils a.a.O.). Das vom Kläger erlittene HWS-Schleudertrauma, das nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu einer sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit aufgrund der organischen Beeinträchtigungen führte, ging darüber hinaus. Solche Verletzungen sind für das Alltagsleben nicht typisch, sondern regelmäßig mit einem besonderen Schadensereignis verbunden.
Rz. 185
Auch eine den haftungsrechtlic...