Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
Rz. 63
Das Haager Übereinkommen über die Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschließung vom 12.6.1902 war für das Deutsche Reich am 31.7.1904 in Kraft getreten. Bis zum Zweiten Weltkrieg galt es im Verhältnis zu Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Schweden, der Schweiz und Ungarn. Nach Kündigungen des Abkommens durch Schweden (1959), die Schweiz (1974), die Niederlande (1979) und Luxemburg (1989) gilt es heute nur noch im Verhältnis zwischen Deutschland und Italien. Nach Kegel/Schurig soll es darüber hinaus aber auch noch im Verhältnis Deutschlands zu Rumänien gelten. Mörsdorf weist darauf hin, dass unter Berücksichtigung der Veröffentlichung auf der Homepage der Haager Konferenz es auch noch (wegen fehlender Kündigung) im Verhältnis Deutschlands zu Portugal gelten wird.
Rz. 64
Hinweis: In der Judikatur wird – obgleich von einer völkerrechtlichen Fortgeltung der vor den beiden Weltkriegen abgeschlossenen Staatsverträge ausgegangen wird – zur Wiederanwendung entsprechender Abkommen gleichwohl, der Klarheit für die Gerichte wegen, eine die Suspendierung oder Anwendungshemmung beendende Regierungserklärung gefordert.
Beachte: Deutschland hat am 11.10.2017 zum 1.6.2019 das Abkommen gekündigt.
Rz. 65
Das Haager Abkommen 1902 zielte zum einen auf eine Erleichterung der Eheschließung zwischen Angehörigen der Vertragsstaaten und zum anderen auf eine Begrenzung der Wirkungsbereiche religiöser Ehehindernisse. Da Letzteres im innerstaatlichen Recht der europäischen Staaten heute konsequenter als im Übereinkommen verwirklicht ist, kam dem Abkommen auch in neuerer Zeit schon "inhaltlich teilweise keine Bedeutung" mehr zu.
Rz. 66
Das Abkommen fand nach seinem Art. 8 Abs. 1 nur auf solche Ehen Anwendung, welche im Gebiet eines der Vertragsstaaten (Deutschland, Rumänien und Italien) zwischen Personen geschlossen worden sind, von denen mindestens einer Angehöriger eines dieser Staaten ist. Dabei darf der Eheschließungsstaat nicht identisch mit dem Vertragsstaat sein, dem die Person angehört.
Rz. 67
Umstritten war, ob das Abkommen auch auf Ehen zwischen Deutschen und Angehörigen eines Drittstaates anwendbar war.
Rz. 68
Das Recht zur Eingehung der Ehe bestimmt sich nach Art. 1 in Ansehung eines jeden der Verlobten nach dem Gesetz des Staates, dem er angehört (Recht des Heimatstaates), soweit nicht eine Vorschrift des Übereinkommens auf ein anderes Gesetz verweist (weshalb Rück- und Weiterverweisungen zu beachten sind). Art. 2 regelt Eheverbote des Ortsrechts, Art. 3 Eheverbote des Heimatrechts (womit ein Vorbehalt auf religiöse Ehehindernisse beschränkt ist). Art. 4 bestimmt das Recht jedes Vertragsstaates, ein Ehefähigkeitszeugnis zu verlangen. Art. 5 Abs. 1 regelt die Formwirksamkeit einer Ehe, die nach Maßgabe des Ortsrechts geschlossen wurde. Diplomatische und konsularische Eheschließungen regelt Art. 6, Art. 7 die Wirksamkeit einer Eheschließung, die der Form des Heimatrechts genügt. Die Regeln des Abkommens entsprechen ("angesichts der modernen Eheschließungsrechte") im Wesentlichen dem deutschen internationalen Privatrecht.
Rz. 69
In ihrem Anwendungsbereich verdrängen die Kollisionsnormen des Abkommens die Regelungen des Art. 13 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 1 EGBGB.