Rz. 279

Das "Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007" (Haager Unterhaltsprotokoll – fortan: HUntProt)[309] – in der Begrifflichkeit missverständlich, da es sich in Bezug auf das Haager Übereinkommen 2007 um ein eigenständiges Abkommen (und keinen bloßen Annex) handelt[310] (und dem HUntProt nach Art. 23 Abs. 3 HUntProt auch Staaten und Organisationen beitreten können, die das Haager Übereinkommen 2007 nicht gezeichnet haben) – hat seit dem 18.6.2010 das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (HUntÜ 1973; siehe Rdn 316 ff.),[311] das teilweise auf Kritik gestoßen war,[312] abgelöst.

 

Rz. 280

Das HUntProt regelt als EU-Recht ("Teilstück der EU-UnterhaltsVO")[313] umfassend die Anknüpfung des Unterhaltsstatuts zwischen dem Unterhaltsberechtigten (Anspruchsteller) und dem Unterhaltsverpflichteten (Anspruchsgegner) und verdrängt damit bspw. Art. 17 und Art. 21 EGBGB.

 

Rz. 281

Der Europäische Rat hat mit Beschl. v. 30.11.2009 von der Möglichkeit des Art. 24 HUntProt (Möglichkeit des Beitritts von Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration) Gebrauch gemacht. Die Zeichnung hat am 8.4.2010 stattgefunden, womit das Protokoll (mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und Dänemarks) für alle EU-Mitgliedstaaten Geltung beanspruchen kann, die aber auch noch separat beitreten oder von einem Beitritt Abstand nehmen können. Wenngleich das HUntProt in Dänemark und Großbritannien nicht gilt, ist es (da es Gegenseitigkeit nicht voraussetzt) auch im Verhältnis zu Dänemark und Großbritannien anzuwenden.[314]

 

Rz. 282

Nach Art. 76 Abs. 3 EU-UnterhaltsVO ist ihre Anwendbarkeit vom 18.6.2011 davon abhängig gemacht worden, dass spätestens zu diesem Zeitpunkt auch das HUntProt in der EU anwendbar ist (Kopplung). Da am 18.6.2011 aber neben der EU (als Vertragsstaat in diesem Kontext)[315] noch kein einziger weiterer Staat dem HUntProt beigetreten war – dieses damit nach seinem Art. 25 noch nicht in Kraft getreten war (Voraussetzung für ein Inkrafttreten ist die Ratifikation durch zwei Vertragsstaaten) –, hat die EU von der vorsorglich geschaffenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, das HUntProt nach Art. 4 des EU-Ratsbeschlusses vom 30.11.2009 vorläufig ab dem 18.6.2011 (nicht nur im Verhältnis zwischen den EU-Mitgliedstaaten, sondern "allseitig"[316]) in Kraft zu setzen (vorläufige interne Geltung in der EU). Infolge Art. 5 des Ratsbeschlusses wurde auch die zeitliche Anwendbarkeit des Protokolls, die sich nach Art. 22 HUntProt richtet, vorverlagert mit der Folge, dass für Unterhaltsverfahren, die nach dem 18.6.2011 eingeleitet werden, auch für vorher entstandene Unterhaltsansprüche in den EU-Mitgliedstaaten das HUntProt zur Anwendung gelangt.[317] Das HUntProt ist für die EU-Staaten – einschließlich Großbritannien, aber mit Ausnahme von Dänemark – zum 1.8.2014 endgültig in Kraft getreten. Weitere Vertragsstaaten, in denen das HUntProt zwischenzeitlich in Kraft getreten ist, sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Norwegen und die Ukraine. In Montenegro tritt das HUntProt zum 1.1.2017 in Kraft. Weiterer Unterzeichnerstaat sind die USA. Augrund eines bilateralen Abkommens ist das HUntProt zum 1.8.2013 zwischen der EU und Serbien in Kraft getreten.

 

Rz. 283

Hinweis: Unter Berücksichtigung von Art. 22 HUntProt (Übergangsregelung) und Art. 5 des Ratsbeschlusses gilt für vor dem 18.6.2011 eingeleitete Verfahren – wobei für die Einleitung die Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks beim Gericht (vgl. Art. 9 EU-UnterhaltsVO) maßgeblich ist[318] – Folgendes: Das HUntProt gilt für Unterhaltspflichten, die nach seinem Inkrafttreten entstehen. Für vorher entstandene Unterhaltspflichten gilt das alte Kollisionsrecht – d.h. das HUntÜ 1973 (siehe Rdn 316 ff.) – fort.[319]

 

Rz. 284

Durch den Beitritt der EU zum HUntProt ist dieses Bestandteil des europäischen Gemeinschaftsrechts geworden mit der Folge, dass die Möglichkeit von Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV zum EuGH eröffnet ist.[320]

 

Rz. 285

Durch den in Art. 15 EU-UnterhaltsVO (siehe Rdn 226) erfolgten Verweis sind die EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht an das HUntProt gebunden (Inkorporation in das EU-Recht[321] [Teilstück der EU-UnterhaltsVO][322] – mit der Folge, dass es in Deutschland wie EU-Recht zu behandeln ist)[323] – womit die EU von einer eigenständigen Regelung des Unterhaltskollisionsrechts Abstand genommen hat.[324]

 

Rz. 286

Im "Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten" ersetzt das HUntProt nach seinem Art. 18 das Haager Übereinkommen vom 2.10.1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (HUntÜ 1973, siehe Rdn 316 ff.) und das Haager Übereinkommen vom 24.10.1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (HKindUntÜ, siehe Rdn 330 ff.).

 

Rz. 287

Thorn[325] weist darauf hin, dass das Protokoll die beiden alten Haager Übereinkommen – sowohl das HUntÜ (1973, siehe Rdn 316 ff.) als auch das H...

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