Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
a) Örtlicher Anwendungsbereich
Rz. 10
Der örtliche Anwendungsbereich der (kompetenzrechtlich auf der Grundlage des IV. Titel EGV [nunmehr Titel V AEUV] erlassenen) EUEheVO 2003 umfasst gem. ihrem Art. 72 S. 3 seit 1.3.2005 alle gegenwärtigen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks (vgl. Art. 2 Nr. 3 EUEheVO 2003 und deren Erwägungsgrund Nr. 31). Dänemark ist wie ein sonstiger Nichtmitgliedstaat zu behandeln, da es auch an staatsvertraglichen Übereinkommen zwischen der EU und Dänemark fehlt.
b) Sachlicher Anwendungsbereich
Rz. 11
Die EUEheVO 2003 gilt im Hinblick auf ihren sachlichen Anwendungsbereich nach Art. 1 (ungeachtet der Art der Gerichtsbarkeit) für Zivilsachen – in all ihren Teilen verbindlich und unmittelbar (Art. 72 S. 3 EUEheVO 2003) – mit folgenden Gegenstandsbereichen:
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Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung einer Ehe (Ehesachen – Art. 1 Abs. 1 lit. a EUEheVO 2003) sowie |
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Zuweisung, Ausübung, Übertragung sowie vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung (Verfahren über die elterliche Verantwortung – Art. 1 Abs. 1 lit. b EUEheVO 2003). Entsprechende Verfahren über die elterliche Verantwortung betreffen nach Art. 1 Abs. 2 EUEheVO 2003 insbesondere das Sorgerecht und das Umgangsrecht (lit. a), die Vormundschaft, die Pflegschaft und entsprechende Rechtsinstitute (lit. b), die Bestimmung und den Aufgabenbereich jeder Person oder Stelle, die für die Person oder das Vermögen des Kindes verantwortlich ist, es vertritt oder ihm beisteht (lit. c), die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder in einem Heim (lit. d) sowie die Maßnahmen zum Schutz des Kindes im Zusammenhang mit der Verwaltung und Erhaltung seines Vermögens oder der Verfügung darüber (lit. e). |
Rz. 12
Art. 1 Abs. 1 EUEheVO 2003 ist dahin auszulegen, dass eine Entscheidung, die die sofortige Inobhutnahme und die Unterbringung eines Kindes außerhalb der eigenen Familie anordnet, unter den Begriff "Zivilsachen" i.S. dieser Bestimmung fällt, wenn die Entscheidung im Rahmen des dem öffentlichen Recht unterliegenden Kinderschutzes ergangen ist. Die Regelung ist auch dahin auszulegen, dass eine einheitliche Entscheidung, die die sofortige Inobhutnahme und die Unterbringung eines Kindes außerhalb der eigenen Familie in einer Pflegefamilie anordnet, unter den Begriff der "Zivilsachen" i.S. dieser Bestimmung fällt, wenn die Entscheidung im Rahmen des dem öffentlichen Recht unterliegenden Kinderschutzes ergangen ist.
c) Ausschlüsse
Rz. 13
Nach Art. 1 Abs. 3 gilt die EUEheVO 2003 hingegen nicht für Folgesachen, betreffend die Feststellung und die Anfechtung des Eltern-Kind-Verhältnisses (lit. a), Adoptionsentscheidungen und Maßnahmen zur Vorbereitung einer Adoption sowie die Ungültigerklärung und den Widerruf der Adoption (lit. b), Namen und Vornamen des Kindes (lit. c), die Volljährigkeitserklärung (lit. d), Unterhaltspflichten (lit. e), Trusts und Erbschaften (lit. f) sowie Maßnahmen infolge von Straftaten, die von Kindern begangen wurden (lit. g).
d) Verhältnis zu staatsvertraglichem Recht
Rz. 14
Für Unterhaltsfragen ist die EuGVO (siehe Rdn 36 ff.) vorrangig bzw. das Haager Übereinkommen vom 2.10.1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (HUntÜ; siehe Rdn 316 ff.) oder das Haager Übereinkommen vom 15.4.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern (HKindUntÜ; siehe Rdn 330 ff.), die seit dem 18.6.2011 allerdings, hinsichtlich Unterhaltssachen (Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen), mithin
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den Ehegattenunterhalt während der Ehe und nach der Scheidung und |
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den Kindesunterhalt (gegenüber minder- und volljähri... |