Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
Rz. 158
Die Rom III-VO gilt nach Art. 1 Abs. 1 für die Ehescheidung (nicht jedoch für eine Privatscheidung) und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes (wobei im Hinblick auf diese Begrifflichkeiten ein Gleichklang mit Art. 1 Abs. 1 lit. a EUEheVO 2003 [siehe Rdn 11] intendiert ist) in Fällen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen.
Rz. 159
Der EuGH hat in seiner Sahyouni-Entscheidung vom 20.12.2017 ausgeführt, dass Art. 1 Rom III-VO dahin auszulegen ist, dass eine durch einseitige Erklärung eines Ehegatten vor einem geistlichen Gericht bewirkte Ehescheidung (wie die im Ausgangsverfahren streitige) nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der VO fällt:
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Was den Wortlaut von Art. 1 Rom III-VO betrifft, heißt es in dessen Abs. 1 lediglich, dass die VO für die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in Fällen gilt, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Dem Wortlaut dieses Artikels lässt sich demnach kein hilfreiches Kriterium für die Bestimmung des Begriffs "Ehescheidung" i.S. dieser Vorschrift entnehmen. |
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Bezüglich des Zusammenhangs, in dem Art. 1 Rom III-VO steht, ist festzustellen, dass der Begriff "Ehescheidung" i.S. dieser VO in keiner anderen Vorschrift der VO bestimmt wird. Sodann sind, wie der Generalanwalt in Nr. 60 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, Privatscheidungen zwar nicht ausdrücklich vom Anwendungsbereich der VO ausgenommen, doch wird aus den in mehreren Bestimmungen der VO – wie Art. 1 Abs. 2, Art. 5 Abs. 2 und 3, Art. 8, Art. 13 und Art. 18 Abs. 2 – enthaltenen Bezugnahmen auf das Tätigwerden eines "Gerichts" und das Vorhandensein eines "Verfahrens" deutlich, dass die VO ausschließlich solche Ehescheidungen erfasst, die entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen werden. Schließlich sollten nach dem 10. Erwägungsgrund der VO der sachliche Anwendungsbereich und die Bestimmungen dieser VO mit der VO Nr. 2201/2003 (EheVO 2003, vorstehende Rdn 4) im Einklang stehen. |
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In Bezug auf das mit der Rom III-VO verfolgte Ziel ergibt sich aus dem Titel der VO, dass sie unter den teilnehmenden Mitgliedstaaten eine Verstärkte Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts begründet. Wie der Generalanwalt in Nr. 65 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, waren es zur Zeit des Erlasses der VO nur öffentliche Organe, die in den Rechtsordnungen der an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedstaaten in diesem Bereich Entscheidungen mit rechtlicher Bedeutung erlassen konnten. Auch wenn seit dem Erlass der VO mehrere Mitgliedstaaten in ihrer Rechtsordnung die Möglichkeit eingeführt haben, Ehescheidungen ohne Tätigwerden einer staatlichen Behörde auszusprechen, wären, wie der Generalanwalt in Nr. 66 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, für die Einbeziehung von Privatscheidungen in den Anwendungsbereich der VO Änderungen erforderlich, für die allein der Unionsgesetzgeber zuständig ist. |
Rz. 160
Daher ergibt sich unter Berücksichtigung der Definition des Begriffs "Ehescheidung" in der Rom III-VO und der mit der VO verfolgten Ziele, dass die VO nur Ehescheidungen erfasst, die entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen werden.
Rz. 161
Die Rom III-VO gilt hingegen nicht für die folgenden Regelungsgegenstände, auch wenn diese sich nur als Vorfragen im Zusammenhang mit einem Verfahren betreffend die Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes stellen: die Rechts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen, das Bestehen, die Gültigkeit oder die Anerkennung einer Ehe, die Ungültigerklärung einer Ehe (womit es hier beim nationalen Kollisionsrecht verbleibt), die Namen der Ehegatten, die vermögensrechtlichen Folgen der Ehe, die elterliche Verantwortung, die Unterhaltspflichten sowie Trusts und Erbschaften (Art. 1 Abs. 2 Rom III-VO).
Rz. 162
Die Rom III-VO lässt nach ihrem Art. 2 die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (Europäische Ehe- und Sorgerechts-Verordnung) unberührt (zur EUEheVO 2003 siehe Rdn 5 ff.).
Rz. 163
Das nach der Rom III-VO bezeichnete Recht ist auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines teilnehmenden Mitgliedstaates ist (Art. 4 Rom III-VO), sondern auf das Recht eines nicht teilnehmenden Mitgliedstaates oder eines Drittstaates verweist (universelle Geltung der Rom III-VO). Die Rom III-VO erfasst – ausweislich ihres Art. 13 2. Alt. sowie ihres 26. Erwägungsgrunds – auch gleichgeschlechtliche Ehen, nicht jedoch hetero- bzw. homosexuelle Lebenspartnerschaften.