Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
a) Kein eigenständiges Kollisionsrecht
Rz. 204
Die EU-UnterhaltsVO beinhaltet – der vollständige Name mag insoweit in die Irre führen – kein eigenständiges Kollisionsrecht, sondern verweist nach ihrem Art. 15 diesbezüglich auf das HUntProt (siehe Rdn 279 ff.). Diesen Vorrang bestätigt auch Art. 3 Nr. 1 lit. c EGBGB (Anwendungsbereich; Verhältnis zu Regelungen der EG und zu völkerrechtlichen Vereinbarungen). Danach gilt, dass, sofern nicht unmittelbar anwendbare Regelungen der EG in ihrer jeweils geltenden Fassung, etwa auch der Beschluss des Rates vom 30.11.2009 über den Abschluss des Haager Protokolls vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht durch die EG, maßgeblich sind, sich das anzuwendende Recht bei Sachverhalten mit einer Verbindung zu einem ausländischen Staat nach den Vorschriften des Ersten Kapitels des EGBGB (IPR) bestimmen.
b) Verhältnis der EU-UnterhaltsVO und des HUntProt zum HUntÜ 1973
Rz. 205
Nach Ansicht des deutschen Gesetzgebers ist das Verhältnis der EU-UnterhaltsVO und des HUntProt (siehe Rdn 279 ff.) zum früheren HUntÜ 1973 (siehe Rdn 316 ff.) nicht eindeutig erklärt: Grundsätzlich gelte, dass bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen unberührt bleiben. Nach Art. 19 HUntProt bleibt die EU-UnterhaltsVO unberührt. Gemäß Art. 24 Abs. 5 HUntProt gilt die EU als Vertragsstaat i.S.d. Art. 19 HUntProt. Der Ratsbeschluss vom 30.11.2009 sei indes "wohl" als "gegenteilige Erklärung" i.S.d. Art. 19 HUntProt anzusehen. Dem HUntProt komme damit Anwendungsvorrang zu (siehe Rdn 209). Für die Praxis sei das Verhältnis der EU-UnterhaltsVO zum HUntProt wegen der inhaltlichen Übereinstimmungen der Kollisionsregeln letztlich nachrangig.
Rz. 206
Art. 15 EU-UnterhaltsVO verweise – so der deutsche Gesetzgeber – auf das HUntProt insgesamt und damit auch auf dessen Art. 18. Diese Vorschrift regelt das Verhältnis zum HUntÜ 1973. Sowohl das HUntProt – und damit auch die EU-UnterhaltsVO – als auch das HUntÜ 1973 differenzieren nicht danach, ob durch die Anwendung der jeweiligen Kollisionsvorschriften Vertrags- oder Nichtvertragsstaaten betroffen sind. Auf die Gegenseitigkeit werde bewusst verzichtet. Sowohl die Kollisionsregelungen des HUntProt als auch die Vorschriften des HUntÜ 1973 beanspruchen weltweite Geltung. Es liege daher nahe, das HUntProt auch gegenüber Staaten, die nur dem HUntÜ 1973 angehören (das keine Gegenseitigkeitsklausel und somit auch keine Verpflichtung zur weiteren Anwendung gegenüber anderen Vertragsstaaten enthält), anzuwenden. Völkerrechtlich sei dies wohl zulässig, zumal Art. 19 HUntÜ 1973 den Anwendungsvorrang anderer internationaler Übereinkünfte mit kollisionsrechtlichen Regelungen, denen die Vertragsparteien angehören oder angehören werden, anerkennt. Auch der Erläuternde Bericht zum HUntProt, der zur Auslegung des Art. 18 HUntProt herangezogen werden kann, räumt im Zweifel dem neuen Übereinkommen den Vorrang ein. Art. 19 HUntProt steht dieser Lösung nicht entgegen, da sich diese Vorschrift, wie sich aus einem Vergleich mit Art. 18 HUntProt ergibt, nicht auf das HUntÜ 1973 bezieht.
c) Verhältnis der EU-UnterhaltsVO und des HUntProt zum HKindUntÜ 1956
Rz. 207
Das HKindUntÜ 1956 ist hingegen – so der deutsche Gesetzgeber – nur dann anzuwenden, wenn auf das Recht eines Vertragsstaates verwiesen wird. Damit ist dieses Übereinkommen nur noch im Verhältnis zu Liechtenstein und China/Macao bedeutsam. Primärer Anknüpfungspunkt ist nicht die Staatsangehörigkeit, sondern der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes. Hat ein aus Liechtenstein stammendes Kind z.B. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so sind die gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsregelungen anzuwenden. Nicht eindeutig ist, wonach sich das anwendbare Recht bestimmt, wenn der Verpflichtete in Liechtenstein seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für die Anwendung des HKindUntÜ 1956 spricht, dass die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Liechtenstein aus diesem völkerrechtlichen Vertrag fortbesteht und sowohl die EU-UnterhaltsVO als auch das HUntProt die bestehenden völkerrechtlichen Pflichten unberührt lassen.
d) Geltung des HUntProt und der EU-UnterhaltsVO im Verhältnis zu Dänemark und dem Vereinigten Königreich
Rz. 208
Die Ratifizierung des HUntProt durch ...