Rz. 98

Die VOen finden nach ihrem Art. 1 Abs. 1 auf

die ehelichen Güterstände (vgl. die unionsautonome Definition in Art. 3 Abs. 1 lit. a und den nicht abschließenden Positivkatalog über die Reichweite des anzuwendenden Rechts in Art. 27 EUGüVO) respektive
die Güterstände eingetragener Lebenspartnerschaften (vgl. die unionsautonome Definition in Art. 3 Abs. 1 lit. a und den nicht abschließenden Positivkatalog des anzuwendenden Rechts in Art. 27 EUPartVO)

Anwendung.[162] Der Anwendungsbereich der VOen soll sich auf alle zivilrechtlichen Aspekte der ehelichen Güterstände/Güterstände eingetragener Lebenspartnerschaften erstrecken und sowohl die Verwaltung des Vermögens der Ehegatten/Partner im Alltag betreffen als auch die güterrechtliche Auseinandersetzung, insbesondere infolge der Trennung des Paares oder des Todes eines Ehegatten/Partners (vgl. Erwägungsgrund Nr. 18 der VOen).

 

Rz. 99

Ehelicher Güterstand: Nach der weiten Begriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 1 lit. a EUGüVO unterfallen dem "ehelichen Güterstand"[163] – im Einklang mit der Judikatur des EuGH[164] – sämtliche vermögensrechtlichen Regelungen, die zwischen den Ehegatten und in ihren Beziehungen zu Dritten aufgrund der Ehe oder der Auflösung der Ehe gelten.

Für die Zwecke der EUGüVO ist der Begriff "ehelicher Güterstand" autonom auszulegen und umfasst nicht nur Regelungen, von denen die Ehegatten nicht abweichen dürfen, sondern auch fakultative Regelungen, die sie nach Maßgabe des anzuwendenden Rechts vereinbaren können, sowie die Auffangregelungen des anzuwendenden Rechts:[165] Der Begriff schließt nicht nur vermögensrechtliche Regelungen ein, die bestimmte einzelstaatliche Rechtsordnungen speziell und ausschließlich für die Ehe vorsehen, sondern auch sämtliche vermögensrechtlichen Verhältnisse, die zwischen den Ehegatten und in ihren Beziehungen gegenüber Dritten direkt infolge der Ehe oder der Auflösung des Eheverhältnisses gelten.[166]

 

Rz. 100

Güterstand einer eingetragenen Partnerschaft: Schwierig gestaltete sich zunächst die Abgrenzung der "Ehe" (wobei der europäische Gesetzgeber auf eine Definition des Begriffs der "Ehe" bewusst verzichtet hat, womit das nationale Recht der Mitgliedstaaten für die Definition maßgeblich ist) nach der EUGüVO von der "eingetragenen Partnerschaft" nach der EUPartVO. Das nationale Recht beantwortet die Frage, ob gleichgeschlechtliche Partnerschaften als "Ehe" zu qualifizieren sind (Anwendbarkeit der EUGüVO) oder als eingetragene Partnerschaften (Anwendbarkeit der EUPartVO).

 

Rz. 101

Art. 3 Abs. 1 lit. b EUPartVO definiert die "eingetragene Partnerschaft" autonom, da eingetragene Partnerschaften nicht in allen Mitgliedstaaten und auch nicht mit gleichen rechtlichen Regularien bestehen, als eine rechtlich vorgesehene Form der Lebensgemeinschaft zweier Personen (geschlechtsneutral), deren Eintragung nach den betreffenden rechtlichen Vorschriften verbindlich ist und welche die in den betreffenden Vorschriften vorgesehenen rechtlichen Formvorschriften für ihre Begründung erfüllt. "Güterrechtliche Wirkungen einer eingetragenen Partnerschaft" bezeichnet gem. Art. 3 Abs. 1 lit. b EUPartVO die vermögensrechtlichen Regelungen, die im Verhältnis der Partner untereinander und in ihren Beziehungen zu Dritten aufgrund des mit der Eintragung der Partnerschaft oder ihrer Auflösung begründeten Rechtsverhältnisses gelten.

 

Rz. 102

Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich: Die VOen gelten nach der ausdrücklichen Klarstellung in Art. 1 Abs. 1 S. 2[167] nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten. Vom Anwendungsbereich sind gemäß ihrem Art. 1 Abs. 2 i.Ü. ausgenommen:[168]

die (allgemeine) Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit der Ehegatten/Partner[169] (lit. a – mithin Teilfragen, die nach dem jeweiligen IPR des Mitgliedstaates anzuknüpfen sind);
das Bestehen, die Gültigkeit oder die Anerkennung einer Ehe[170] /Anerkennung einer eingetragenen Partnerschaft (lit. b – mithin Vorfragen mit der Notwendigkeit einer gesonderten Anknüpfung nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten einschließlich ihres IPR);
die Unterhaltspflichten (lit. c,[171] die sich aus Gründen der Spezialität nach der EU-UntherhaltsVO [Rdn 199 ff.] und dem HUntProt [Rdn 279 ff.] bestimmen);
die Rechtsfolge nach dem Tod eines Ehegatten/Partners (lit. d[172] – die sich nach der EuErbVO bestimmt). Der EuGH[173] hat in Bezug auf die Qualifikation von § 1371 BGB (im Zusammenhang mit dem pauschalierten Zugewinnausgleich nach den §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB) konstatiert, dass Art. 1 Abs. 1 EuErbVO dahin auszulegen ist, dass eine nationale Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, wonach beim Tod eines Ehegatten ein pauschaler Zugewinnausgleich durch Erhöhung des Erbteils des überlebenden Ehegatten vorzunehmen ist, in den Anwendungsbereich der EuErbVO fällt;
die soziale Sicherheit (lit. e);[174]
die Berechtigung, Ansprüche auf Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente[175] (Rentenanwartschaften), die während der Eh...

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