Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
Rz. 305
Ungeachtet der Art. 3 bis 6 HUntProt können die berechtigte und die verpflichtete Person (geschäftsfähige Erwachsene) aber auch jederzeit – mit ex tunc-Wirkung – nach Art. 8 Abs. 1 HUntProt eine über einen einzelnen Rechtsstreit i.S.v. Art. 7 HUntProt hinausgehende Rechtswahl treffen (auch i.S. einer Änderung einer einmal bereits schon getroffenen Rechtswahl), indem sie eine der folgenden Rechtsordnungen als das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmen (allgemeine Rechtswahl):
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das Recht eines Staates, dem eine der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl angehört (lit. a; wobei auch eine nicht-effektive Staatsangehörigkeit ausreichend sein soll); |
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das Recht des Staates, in dem eine der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (lit. b); |
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das Recht, das die Parteien als das auf ihren Güterstand anzuwendende Recht bestimmt haben, oder das tatsächlich darauf angewandte Recht (lit. c); bzw. |
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das Recht, das die Parteien als das auf ihre Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung der Ehe anzuwendende Recht bestimmt haben, oder das tatsächlich auf diese Ehescheidung oder Trennung angewandte Recht (lit. d). |
Rz. 306
Eine solche Vereinbarung ist gem. Art. 8 Abs. 2 HUntProt (analog Art. 7 Abs. 2 HUntProt) schriftlich zu erstellen oder auf einem Datenträger zu erfassen, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist, und von beiden Parteien zu unterschreiben.
Rz. 307
Art. 8 Abs. 1 HUntProt findet keine Anwendung auf Unterhaltspflichten betreffend eine Person, die (im Zeitpunkt des Zustandekommens der Rechtswahl) das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder einen Erwachsenen, der aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen (i.S.v. Art. 1 Abs. 1 des Haager Übereinkommens vom 13.1.2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen), so Art. 8 Abs. 3 HUntProt (von einer Rechtswahl nach Art. 8 HUntProt ausgeschlossener Personenkreis). Dann kommt allein eine Rechtswahl nach Art. 7 HUntProt in Betracht.
Rz. 308
Ungeachtet des von den Parteien nach Art. 8 Abs. 1 HUntProt bestimmten Rechts ist gem. Art. 8 Abs. 4 HUntProt (Missbrauchskontrolle) das Recht des Staates, in dem die berechtigte Person im Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, dafür maßgebend, ob die berechtigte Person auf ihren Unterhaltsanspruch verzichten kann – wobei die Wahl eines Rechts, das für den Berechtigten im konkreten Fall keinen Anspruch vorsieht, erweiternd einem "Verzicht" gleichstehen soll. Da es Ziel der Regelung ist, den Berechtigten vor einem Verlust des Rechts zu schützen, das mangels Rechtswahl anwendbar gewesen wäre, soll § 8 Abs. 4 HUntProt restriktiv auszulegen sein: nicht i.S.d. am gewöhnlichen Aufenthalt des Berechtigten anwendbaren Rechts, sondern allgemein das nach Art. 3 bis 5 HUntProt "objektiv berufene Recht".
Rz. 309
Das von den Parteien bestimmte Recht ist nach Art. 8 Abs. 5 HUntProt (allgemeine Billigkeitskontrolle) i.S.d. Schaffung von Einzelfallgerechtigkeit nicht anzuwenden (wodurch den Gerichten ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird), wenn seine Anwendung für eine der Parteien offensichtlich unbillige oder unangemessene Folgen hätte (was sich durch einen Vergleich der Ergebnisse einerseits bei Anwendung des gewählten Rechts und andererseits des bei objektiver Anknüpfung anzuwendenden Rechts ergibt), es sei denn, dass die Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl umfassend unterrichtet und sich der Folgen ihrer Wahl vollständig bewusst waren.