Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
Rz. 45
Die Entstehungsgeschichte des EuGVÜ spricht gegen eine Geltung des Übereinkommens in reinen Inlandsfällen. Das EuGVÜ regelt (über das Haager Abkommen hinausgehend; siehe Rdn 63) die internationale Zuständigkeit nicht nur als Anerkennungs-, sondern auch als Entscheidungszuständigkeit (selbst gegenüber Klägern aus Nichtvertrags-, d.h. Drittstaaten). Die Entscheidungszuständigkeit wird nach Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ/Art. 2 Abs. 1 EuGVO primär durch den Wohnsitz des Beklagten in dem Vertragsstaat bestimmt, dessen Gerichte entscheiden (bei juristischen Personen nach Art. 53 EuGVÜ/Art. 60 EuGVO durch deren Sitz). Art. 3 Abs. 2 EuGVÜ/Art. 3 Abs. 2 EuGVO verbietet exorbitante Gerichtsstände (bspw. die deutsche Regelung des § 23 ZPO): Gegen Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben, können insbesondere nicht (die in Anhang I aufgeführten) innerstaatliche Zuständigkeitsvorschriften geltend gemacht werden. Sofern der Beklagte außerhalb der EU (ex EWG) wohnhaft ist, gilt das Zuständigkeitsrecht des Gerichtsstaates, es sei denn, das EuGVÜ/die EuGVO schreibt in Art. 16 EuGVÜ/Art. 22 und 23 EuGVO eine ausschließliche Zuständigkeit vor (wobei nach Art. 4 EuGVÜ/Art. 4 EuGVO hier auch exorbitante Gerichtsstände zulässig sind). Für Beklagte innerhalb der EU (ex EWG) statuiert Art. 5 EuGVÜ/Art. 5 EuGVO neben der Wohnsitz- bzw. Sitzzuständigkeit (bei juristischen Personen) auch Sondergerichtsstände – so bei Unterhaltsklagen den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten (vgl. Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ/Art. 5 Nr. 2 EuGVO).
Rz. 46
Art. 6 EuGVÜ/Art. 6 EuGVO begründet eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs. Ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht nach Art. 16 EuGVÜ/Art. 22 Nr. 5 EuGVO für Vollstreckungssachen im Vollstreckungsstaat. Art. 17 EuGVÜ/Art. 23 EuGVO gestattet grundsätzlich eine Prorogation. Eine Zuständigkeit des Gerichts kann sich gem. Art. 18 EuGVÜ/Art. 24 EuGVO auch aus der Einlassung des Gegners ergeben. Nach Art. 19 und 20 EuGVÜ/Art. 25 und 26 EuGVO werden internationale Unzuständigkeit und mangelhafte Ladung des Beklagten z.T. von Amts wegen berücksichtigt. Gemäß Art. 21 bis 23 EuGVÜ/Art. 27 bis 30 EuGVO (die nicht für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus Drittstaaten gelten) muss die Rechtshängigkeit in einem anderen Vertragsstaat beachtet werden, ein Sachzusammenhang mit einem Verfahren in einem anderen Vertragsstaat kann beachtet werden.
Rz. 47
Art. 24 EuGVÜ/Art. 31 EuGVO gestattet überall einstweilige Maßregeln.
Rz. 48
Nach Art. 25 EuGVÜ/Art. 32 EuGVO werden außer Urteile auch Entscheidungen aller Art anerkannt (mithin auch solche der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zudem z.B. Kostentitel), ohne dass es dafür ein besonderes Anerkennungsverfahren gibt (vgl. Art. 26 EuGVÜ/Art. 33 EuGVO). Fraglich ist aber, ob dies auch für die Anerkennung rein prozessualer Entscheidungen (wie z.B. Anordnungen einer Beweisaufnahme) gilt. Eine Entscheidung wird gem. Art. 27 i.V.m. Art. 34 Abs. 2 EuGVÜ/Art. 34 EuGVO in folgenden Fällen, d.h. bei
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Verstoß gegen den ordre public des Anerkennungsstaates; |
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Nichteinlassung des Beklagten im Falle fehlender oder mangelhafter Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks oder zu kurzer Einlassungsfrist; |
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ergangener widersprechender Entscheidung im Anerkennungsstaat; sowie bei der |
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Entscheidung über eine Vorfrage des Rechts der natürlichen Personen, des Ehegüter- und Erbrechts entgegen dem internationalen Privatrecht des Anerkennungsstaates |
nicht anerkannt sowie nach Art. 28 i.V.m. Art. 34 Abs. 2 EuGVÜ/Art. 35 EuGVO bei Verletzung der internationalen Zuständigkeit in bestimmten gravierenden Fällen.
Rz. 49
Gemäß Art. 29 i.V.m. Art. 34 Abs. 3 EuGVÜ/Art. 36 EuGVO ist eine "revision au fond" ausgeschlossen.
Rz. 50
Eine Aussetzung der Anerkennung noch nicht rechtskräftiger Entscheidungen ist nach Art. 30 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 EuGVÜ/Art. 37 Abs. 1 EuGVO möglich.
Rz. 51
Art. 31 bis 45 EuGVÜ/Art. 38 bis 52 EuGVO regeln eingehend die Ingangsetzung der Vollstreckung anerkannter Entscheidungen. Die Art. 46 bis 49 EuGVÜ/Art. 53 bis 56 EuGVO treffen gemeinsame Vorschriften hinsichtlich Urkunden, die für die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung beizubringen sind.
Rz. 52
Hinweis: Unterhaltsentscheidungen, die in den Anwendungsbereich des EuGVÜ fallen, können nach Maßgabe des Römischen Übereinkommens über die Vereinfachung des Verfahrens zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen vom 6.11.1990 erleichtert durchgesetzt werden. Insoweit ergänzt das Abkommen für Unterhaltsentscheidungen das EuGVÜ. Bei der Durchsetzung sollen gem. Art. 2 und 3 des Abkommens "Zentrale Behörden" helfen. Das Übereinkommen ist für Deutschland jedoch nicht in Kraft getreten. Sofern der ordre public dem nicht entgegensteht, sind gem. Art. 52 und 53 EuGVÜ/Art. 57 und 58 EuGVO vollstreckbare Urkunden und Prozessvergleiche eines Vertragsstaates auch in den anderen Vertragsstaaten vollstreckbar.
Rz. 53
Der Wohnsitz ein...