Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
1. Regelungsgehalt und Konkurrenzen
Rz. 316
Das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (HUntÜ) regelte das Kollisionsrecht (unabhängig vom Erfordernis der Gegenseitigkeit, auch wenn es das Recht eines Nichtvertragsstaates ist, Art. 3 HUntÜ) nur auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht (Art. 2 Abs. 1 HUntÜ), die sich aus Beziehungen der Familie, der Ehe oder der Schwägerschaft ergibt, einschließlich der Unterhaltspflicht gegenüber einem nichtehelichen Kind (Art. 1 HUntÜ). Es enthielt umfassende Anknüpfungsregeln für familienrechtliche Unterhaltspflichten.
Rz. 317
Das HUntÜ war für die Bundesrepublik Deutschland ursprünglich am 1.4.1987 im Verhältnis zu Frankreich, Italien, Japan, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal, der Schweiz, Spanien und der Türkei in Kraft getreten – später zudem im Verhältnis zu Polen (seit dem 1.5.1996), Litauen (seit dem 1.9.2001), Estland (seit dem 1.1.2002), Griechenland (seit dem 1.9.2003) und Albanien (seit dem 1.11.2011). Wegen des Vorrangs des Haager Unterhaltsprotokolls (HUntProt, siehe Rdn 279 ff.) gilt es seit dem 18.6.2011 – nach umstrittener Auffassung (obwohl die Frage von hoher praktischer Bedeutung ist) – nur noch im Verhältnis zu den Vertragsstaaten, die nicht Vertragsparteien des HUntProt geworden sind, mithin zu Japan, der Schweiz und der Türkei (zudem zu Albanien und den niederländischen Überseebesitzungen). Mit dem Inkrafttreten des HUntProt ist in der Bundesrepublik Deutschland für eine autonome kollisionsrechtliche Unterhaltsregelung kein Raum mehr.
Rz. 318
Hinweis: Das HUntÜ ist nach seinem Art. 3 auch bei einem gewöhnlichen Aufenthalt des Berechtigten in einem Nichtvertragsstaat anwendbar. Es handelt sich also um eine sog. loi uniforme. Das HUntÜ wird daher von den Vertragsstaaten auch im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten angewendet.
Rz. 319
Nach Art. 15 HUntÜ kann jeder Vertragsstaat gem. Art. 24 HUntÜ einen Vorbehalt machen, dass seine Behörden sein innerstaatliches Recht anwenden werden, wenn sowohl der Berechtigte als auch der Verpflichtete Staatsangehörige dieses Staates sind und der Verpflichtete dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Einen Vorbehalt nach Art. 15 HUntÜ hatte die Bundesrepublik Deutschland bezüglich aller Deutschen i.S.d. Grundgesetzes gemacht – ebenso wie Italien, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Polen, Portugal, die Schweiz, Spanien und die Türkei.
2. Anzuwendendes Recht
Rz. 320
Die kollisionsrechtlichen Regelungen der Art. 4 bis 10 und Art. 11 Abs. 2 HUntÜ waren – mit geringen redaktionellen Abweichungen – im deutschen Recht in Art. 18 EGBGB a.F. (nunmehr aufgehoben) eingestellt worden. Im Hinblick auf das anzuwendende Recht gilt Folgendes: Für die in Art. 1 genannten Unterhaltspflichten ist nach Art. 4 HUntÜ (entsprechend Art. 18 Abs. 1 S. 1 EGBGB) das am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht maßgebend (Aufenthaltsrecht). Wechselt der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist vom Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels an nach Art. 4 Abs. 2 HUntÜ das innerstaatliche Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden. Kann der Berechtigte nach dem in Art. 4 HUntÜ vorgesehenen (Aufenthalts-)Recht vom Verpflichteten keinen Unterhalt erhalten, so ist nach Art. 5 HUntÜ (entsprechend Art. 18 Abs. 1 S. 2 EGBGB) das Recht des Staates, dem sie gemeinsam angehören (Heimatstaat), (subsidiär) anzuwenden. Kann der Berechtigte nach den in den Art. 4 HUntÜ (Aufenthaltsrecht) und Art. 5 HUntÜ (Heimatrecht) vorgesehenen Rechten keinen Unterhalt erhalten, so ist nach Art. 6 HUntÜ (entsprechend Art. 18 Abs. 2 EGBGB) das innerstaatliche Recht der angerufenen Behörde (lex fori) anzuwenden.
Rz. 321
Bei Unterhaltspflichten zwischen Verwandten in der Seitenlinie oder Verschwägerten kann nach Art. 7 HUntÜ (entsprechend Art. 18 Abs. 3 EGBGB) der Verpflichtete dem Anspruch des Berechtigten entgegenhalten, dass nach dem Recht des Staates, dem sie gemeinsam angehören, oder, mangels einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit, nach dem innerstaatlichen ...