Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
1. Regelungsziel
Rz. 484
Das Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.5.1993 (fortan: HAdÜ; in Kraft getreten am 1.5.1995 nach der Ratifikation durch drei Staaten) zielt – ohne die Normierung von Kollisionsnormen – auf die Einführung von Schutzvorschriften (materielle Voraussetzungen und Anforderungen an das Adoptionsverfahren), um internationale Adoptionen zum Wohl des Kindes und unter Wahrung seiner völkerrechtlich anerkannten Grundrechte stattfinden zu lassen (Art. 1 lit. a HAdÜ – Schutz vor missbräuchlichen Adoptionen). Zudem soll ein System der Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten etabliert werden, um die Einhaltung der Schutzvorschriften sicherzustellen und dadurch die Entführung und den Verkauf von Kindern sowie den Kinderhandel zu verhindern (Art. 1 lit. b HAdÜ). Auch soll die Anerkennung der in den Vertragsstaaten nach Maßgabe der Konvention zustande gekommenen Adoptionen gesichert werden (Art. 1 lit. c HAdÜ).
Rz. 485
Die Bundesrepublik Deutschland – die seit dem 1.3.2002 Vertragsstaat des HAdÜ ist – hat als Art. 1 des Gesetzes zur Regelung von Rechtsfragen auf dem Gebiet der internationalen Adoption und zur Weiterentwicklung des Adoptionsvermittlungsrechts vom 5.11.2000 das "Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 29.5.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (Adoptionsübereinkommens-Ausführungsgesetz – AdÜbAG)" erlassen.
Rz. 486
Europäische Vertragsstaaten sind gegenwärtig neben der Bundesrepublik Deutschland Albanien, Andorra, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien und Nordirland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Mazedonien, die Republik Moldau, Monaco, Montenegro, die Niederlande, Nord-Mazedonien, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russische Föderation (gezeichnet, aber noch nicht in Kraft getreten), San Marino, Schweden, die Schweiz, Serbien, die Slowakei, Slowenien, Spanien, die Tschechische Republik, Ungarn, Weißrussland und Zypern. Außereuropäische Vertragsstaaten sind Armenien, Aserbaidschan, Australien, Belize, Benin, Bolivien, Brasilien, Burkina Faso, Burundi, Chile, Costa Rica, Cote d‘Ivoire, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Eswatini, Fidschi, Georgien, Ghana, Guatemala, Guinea, Guyana, Haiti, Honduras, Indien, Israel, Kambodscha, Kanada, Kapverde, Kasachstan, Kenia, Kirgisistan, Kolumbien, Kongo, Kuba, Lesotho, Madagaskar, Mali, Mauritius, Mexiko, Mongolei, Namibia, Nepal, Neuseeland, Panama, Paraguay, Peru, Philippinen, Republik Korea, Ruanda, Sambia, Senegal, Seychellen, Sri Lanka, Südafrika, Thailand, Togo, Türkei, Uruguay, USA, Venezuela, Vietnam und Volksrepublik China.
2. Anwendungsbereich
Rz. 487
Das HAdÜ findet (ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Beteiligten) nach seinem Art. 2 Anwendung, wenn ein (minderjähriges) Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat (d.h. seinem Heimatstaat, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat) in einen anderen Vertragsstaat (den Aufnahmestaat des bzw. der Annehmenden, in dem diese(r) seinen/ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat/haben) gebracht worden ist, wird oder werden soll. Es spielt keine Rolle, ob das Verbringen nach der Adoption (wobei nur Adoptionen erfasst werden, die ein dauerhaftes – nicht unauflösliches – Eltern-Kind-Verhältnis [nicht bloße Pflegekindschaften] begründen (Adoption oder adoptionsähnliches Rechtsinstitut) – jedoch nicht nur Volladoptionen [vgl. Art. 26 HAdÜ] im Heimatstaat durch Ehegatten oder eine [Einzel-]Person [ausdrücklich nicht gleichgeschlechtliche Partner] mit gewöhnlichem Aufenthalt im Aufnahmestaat) oder im Hinblick auf eine solche Adoption im Aufnahme- oder Heimatstaat erfolgt. Das Übereinkommen findet nach seinem Art. 3 keine Anwendung (mehr), wenn die Zentralen Behörden des Heimatstaates des Kindes und des Aufnahmestaates nicht vor Vollendung des 18. Lebensjahres (abgestellt wird allein auf eine Minderjährigenadoption) als Adoptionsvoraussetzung ihre Zustimmung erteilt haben.
3. Voraussetzungen einer internationalen Adoption
Rz. 488
Die Voraussetzungen einer internationalen Adoption sind im Zweiten Kapitel (Art. 4 und 5) HAdÜ geregelt. Eine internationale Adoption setzt nach Art. 4 HAdÜ folgende Mindestbedingungen voraus, die in der Person des Kindes bzw. des oder der Annehmenden erfüllt sein müssen: Die zuständigen Behörden des Heimatstaates haben
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festgestellt, dass das Kind adoptiert werden kann; |
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(nach gebührender Prüfung der Unterbrin... |