Rz. 6
Das Verwandtenerbrecht blieb auch nach der fränkischen Zeit bestehen, selbst wenn die alten Bindungen der Hausgemeinschaft und der Sippe zurückgingen. Das germanische Recht kannte keine gewillkürte Erbfolge. Eine "Vergabung von Todes wegen" wurde erst nach und nach möglich, zunächst nur zugunsten der Kirche. Verfügungen von Todes wegen wurden in der Form des "Klerikertestaments" und in den Städten deutlich häufiger, auch wenn es beim Grundsatz des Verwandtenerbrechts blieb ("Wer will wohl und selig sterben, der lasse sein Gut den rechten Erben.").
Für bestimmte Güter galt eine Sondererbfolge, die eine Zersplitterung verhindern sollte: Es gab die "Stammgüter" des hohen Adels, die grundsätzlich alleine auf den nächsten männlichen Verwandten übergingen. Die "Familienfideikomisse" waren ähnliche Güter des niederen Adels. Es sind wichtige "Hausfideikomisse" überliefert, welche die Stammgüter adliger Häuser zusammenhielten.
Bei den Bauerngütern wurde – zumindest partiell – die Realteilung durch das Anerbenrecht verdrängt – eine "Keimzelle" des Höferechts. Der älteste oder jüngste Erbe konnte zum Hoferben ("Anerben") berufen und die anderen konnten abgefunden werden. Eine Erbengemeinschaft wurde durch diese Sondererbfolgen ausgeschlossen. Noch in der heute gültigen Höfeordnung heißt es entsprechend unter § 6: "ist als Hoferbe berufen: … 3. in dritter Linie der älteste Miterbe oder, wenn in der Gegend Jüngstenrecht Brauch ist, der jüngste von ihnen".
Für überlebende Ehegatten gab es schon Sondererbfolgen in bestimmte Gegenstände des Haushaltes, wie es sich bis heute noch im gesetzlichen Voraus erhalten hat, § 1932 BGB. Insgesamt war die Einordnung eines Erbrechts des Ehegatten neben den Abkömmlingen nicht immer einfach, da auf Letzteren der Fokus lag ("Das Gut rinnt wie das Blut").
Im Übrigen entstanden regelmäßig Erbengemeinschaften. Sie wurden weiter "Brüdergemeinschaften" oder "Gemeinderschaften" genannt.
Rz. 7
Für die Erbengemeinschaften galt das Prinzip der "gesamten Hand", der Gesamthandschaft, auf das in der Einleitung schon eingegangen wurde. Es gab Gesamthandvermögen, über das nur gemeinsam verfügt werden konnte. Der Gesamthänder konnte allein weder über das Ganze noch über einen Teil verfügen. Als Gläubiger durfte die Leistung nur an die Gemeinschaft verlangt werden, Schuldner konnten mit befreiender Wirkung nur an alle leisten.
Rz. 8
Im Lehnswesen war der Herr zunächst nicht verpflichtet, das Lehen im Erbfall zu teilen, so dass nur einer von mehreren Erben die Lehnserneuerung beanspruchen konnte. Ab dem 14. Jahrhundert war die Lehnserneuerung weitgehend zu einem Anspruch geworden, wobei es auch zu Beleihungen zur gesamten Hand und späteren Teilungen kommen konnte.
Für den Übergang der Kurwürde enthielt die Goldene Bulle Regelungen, die auch von den Kurfürsten beachtet wurden. So bestimmten die Hohenzollern in Testamenten aus dem 15. Jahrhundert, dass nur ein Sohn sich Kurfürst und Erzkämmerer des Heiligen Römischen Reiches nennen dürfe. Die Fürstenhäuser Württemberg, Lippe, Hanau und Baden führten die Primogeniturfolge ein (Erbfolge des Erstgeborenen). In Österreich etwa blieb aber die "Teilungsunsitte" zunächst bestehen. Auch die Frage, ob die Töchter oder Schwestern des letzten männlichen Erben ein Recht auf die Nachfolge hätten, führte zu Erbfolgekriegen. Bekannt sind die – weitgehend erfolgreichen – Anstrengungen, die noch Maria Theresia zur Behauptung ihres Erbes anstellen musste.
Rz. 9
Den bäuerlichen Gemeinderschaften stand meist das älteste Mitglied als Vertreter vor. Die vollständige Auflösung der Gemeinderschaft etwa durch Abfindung Einzelner war weitgehend erlaubt.
Ein Verfahren der Aufteilung enthält den bekannten Rechtsspruch: "Der Ältere teilt, der Jüngere wählt." Jacob Grimm hielt ihn für nachvollziehbar, "weil teilen dem reiferen Verstande zusagt, wählen der Unschuld der Jugend". Daneben waren die Zuordnung durch das Los und die Auszahlung von Erben durch einen anderen, weniger der Verkauf einer Sache zur Teilung üblich.
Rz. 10
Ritterliche Gemeinderschaften wurden auch als "Ganerbschaften" bezeichnet, der "Ganerbe" war ein "Miterbe". Für die Ritterschaft stand neben der Erhaltung des Gutes auch das Ziel im Vordergrund, die an das Gut gebundenen Standesvorrechte zu sichern. Durch einen Ganerbschaftsvertrag sollte eine "ewige" Gesamthandsgemeinschaft errichtet werden. Wurde die gemeinsame Haushalts- und Wirtschaftsführung den Ganerben unangenehm, wurden die Nutzungen und mitunter auch die Substanz geteilt. Noch heute sind sog. "Ganerbenburgen" bekannt. Den Familienteilen wurden einzelne Türme, Häuser oder Bereiche einer Burg zugewiesen. Beispiele sind die Burg Eltz im Moseltal, Burg Münzenberg in der Wetterau und die Schwarzburg in Thüringen. Durch diese Teilungsbestrebungen nahm die ritterliche Gesamthandsgemeinschaft schon früh Elemente der Bruchteilsgemeinschaft auf. Es war die Möglichkeit des Verkaufs...