Rz. 35

Steht das Erbrecht überhaupt im Fokus der gesellschaftlichen Diskussion und der Politik, bezieht dieser sich meist ausschließlich auf das Steuer- und das Pflichtteilsrecht. Dort sind weitere Reformen denkbar.

In absehbarer Zeit sind beim Recht der Erbengemeinschaft höchstens kleine Änderungen – z.B. im Rahmen der europäischen Rechtsvereinheitlichung[114] – zu erwarten, welche die in der Praxis erheblichen Probleme etwa bei der Ausgleichung, der Auseinandersetzung[115] und der Verwaltung innerhalb der Erbengemeinschaft nicht lösen werden. Ein "großer Wurf", welcher auch einen Systemwechsel beinhalten könnte,[116] ist nicht in Aussicht.

 

Rz. 36

Es ist eher zu beobachten, dass insbesondere bei der praxisrelevanten Auseinandersetzungsproblematik alternative Konfliktlösungsmechanismen gesucht werden. Dabei stehen sich zwei Ansätze gegenüber: Es kann zum einen die staatliche Ordnungsfunktion gestärkt werden, namentlich durch die Verbesserung des notariellen Auseinandersetzungsverfahrens (§§ 363 ff. FamFG; vgl. auch § 8 Rdn 92–94).[117] Zum anderen können private Konfliktlösungsmechanismen gefördert werden, wie die Mediation.[118]

Zum Teil werden beide Ansätze als ausbaufähig dargestellt.[119] Daraus zu folgern, dass auch beide Alternativen gleichermaßen gefördert werden sollten, erscheint aber nicht sachgerecht. Nach hier vertretener Ansicht schließen sie sich zwar nicht aus, behindern sich aber im Ergebnis gegenseitig. Das notarielle Verfahren hat sich in der Praxis bislang aufgrund fehlender Verbindlichkeit (§ 370 FamFG: Aussetzung bei Streit) sowie mangelhafter Kompetenz und wohl auch Motivation bei den Notaren nicht bewährt. Um zu funktionieren, müsste es zumindest verbindlich und kostendeckend gestaltet werden. Das ist nicht in Sicht.[120] Auch vor dem Gedanken der bürgerlichen Eigenverantwortung ist nach hiesiger Ansicht das private Mediationsverfahren vorzuziehen.[121] Der Rückzug des Staates aus der Mediation und dem nachlassgerichtliche Auseinandersetzungsverfahren sowie die gesetzliche Regulierung der Mediation könnten dieser zu Bekanntheit und Akzeptanz verhelfen. Mit der wirtschaftlichen Aufteilung wird so auch die oft begleitende persönliche Auseinandersetzung behandelt. Bei wirtschaftlich dominierten Auseinandersetzungen wird es allerdings meist bei der anwaltlich begleiteten Konfliktregulierung bleiben.

 

Rz. 37

Eine Weiterentwicklung ist im Übrigen eher durch die zunehmende Spezialisierung der Rechtsberater und eine daraus resultierende Dynamisierung der Diskussion zu erhoffen. Aus der Praxis geborene Lösungen wie etwa die sog. "Abschichtung"[122] (siehe auch § 8 Rdn 91) verändern das Recht der Erbengemeinschaft. Durchdachte Nachlassgestaltungen können Konflikten um die Gesetzesanwendung den Boden entziehen. So kann das schwierige Gebiet der Erbengemeinschaft auch ohne wesentliche gesetzgeberische Aktivitäten beherrschbar werden.

[114] MüKo/Leipold, Einleitung, Rn 61 f.
[115] Staudinger/Otte, kritisch zu der Idee, auf (oben erläuterte) Vorschläge der Akademie für Deutsches Recht zurückzugreifen und die Befugnisse des Nachlassgerichtes zu erweitern, Einl zum ErbR Rn 126 m.w.N.
[116] Zur Frage einer – dort verneinten – verfassungsrechtlichen Garantie der Gesamtrechtsnachfolge: MüKo/Leipold, Einleitung Rn 53 m.w.N.; kritisch zur Gesamthand („ohne innere Wahrheit“): v. Lübtow, S. 799 f.
[117] Dafür: Frieser, ErbR 2012, 98, 104 f. m.w.N.
[118] Zu beiden: Eberl-Borges, ZErb 2010, 255.
[119] Eberl-Borges, ZErb 2010, 255.
[120] Auch der 68. Deutsche Juristentag lehnte dies ab, vgl. Frieser, ErbR 2012, 98, 102.
[121] Vgl. ausführlich Siegel, bes. S. 57 f., 76 f., 103.
[122] Damrau, ZEV 1996, 361; ausführlich: Hagmaier.

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