Rz. 35
Steht das Erbrecht überhaupt im Fokus der gesellschaftlichen Diskussion und der Politik, bezieht dieser sich meist ausschließlich auf das Steuer- und das Pflichtteilsrecht. Dort sind weitere Reformen denkbar.
In absehbarer Zeit sind beim Recht der Erbengemeinschaft höchstens kleine Änderungen – z.B. im Rahmen der europäischen Rechtsvereinheitlichung – zu erwarten, welche die in der Praxis erheblichen Probleme etwa bei der Ausgleichung, der Auseinandersetzung und der Verwaltung innerhalb der Erbengemeinschaft nicht lösen werden. Ein "großer Wurf", welcher auch einen Systemwechsel beinhalten könnte, ist nicht in Aussicht.
Rz. 36
Es ist eher zu beobachten, dass insbesondere bei der praxisrelevanten Auseinandersetzungsproblematik alternative Konfliktlösungsmechanismen gesucht werden. Dabei stehen sich zwei Ansätze gegenüber: Es kann zum einen die staatliche Ordnungsfunktion gestärkt werden, namentlich durch die Verbesserung des notariellen Auseinandersetzungsverfahrens (§§ 363 ff. FamFG; vgl. auch § 8 Rdn 96–98). Zum anderen können private Konfliktlösungsmechanismen gefördert werden, wie die Mediation.
Zum Teil werden beide Ansätze als ausbaufähig dargestellt. Daraus zu folgern, dass auch beide Alternativen gleichermaßen gefördert werden sollten, erscheint aber nicht sachgerecht. Nach hier vertretener Ansicht schließen sie sich zwar nicht aus, behindern sich aber im Ergebnis gegenseitig. Das notarielle Verfahren hat sich in der Praxis bislang aufgrund fehlender Verbindlichkeit (§ 370 FamFG: Aussetzung bei Streit) sowie mangelhafter Kompetenz und wohl auch Motivation bei den Notaren nicht bewährt. Um zu funktionieren, müsste es zumindest verbindlich und kostendeckend gestaltet werden. Das ist nicht in Sicht. Auch vor dem Gedanken der bürgerlichen Eigenverantwortung ist nach hiesiger Ansicht das private Mediationsverfahren jedenfalls in familiären Konstellationen meist vorzuziehen. Mit der wirtschaftlichen Aufteilung wird so auch die oft begleitende persönliche Auseinandersetzung behandelt. Bei wirtschaftlich dominierten Auseinandersetzungen wird es allerdings meist bei der anwaltlich begleiteten Konfliktregulierung bleiben. Dann bieten auch Güterrichterverfahren eine gute Möglichkeit zur einvernehmlichen Klärung in einer längeren Vergleichsverhandlung. Prozessuale Lösungen sind jedenfalls in einem zumutbaren zeitlichen Rahmen kaum zu erreichen.
Rz. 37
Eine Weiterentwicklung ist im Übrigen eher durch die zunehmende Spezialisierung der Rechtsberater und eine daraus resultierende Dynamisierung der Diskussion zu erhoffen. Aus der Praxis geborene Lösungen wie etwa die sog. "Abschichtung" (siehe auch § 8 Rdn 90) verändern das Recht der Erbengemeinschaft. Durchdachte Nachlassgestaltungen können Konflikten um die Gesetzesanwendung den Boden entziehen. So kann das schwierige Gebiet der Erbengemeinschaft auch ohne wesentliche gesetzgeberische Aktivitäten beherrschbar werden.