Rz. 182
Zitat
BGB § 249 Abs. 2 S. 1
a) Sind dem Geschädigten von markengebundenen Fachwerkstätten auf dem allgemeinen regionalen Markt Großkundenrabatte für Fahrzeugreparaturen eingeräumt worden, die er ohne weiteres auch für die Reparatur des Unfallfahrzeugs in Anspruch nehmen könnte, so ist dies ein Umstand, der im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auch bei fiktiver Schadensabrechnung grundsätzlich zu berücksichtigen ist.
b) Zum Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bei einem Verkehrsunfall.
a) Der Fall
Rz. 183
Die Klägerin, ein großes, international tätiges Autovermietungsunternehmen, nahm die Beklagte auf restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. Die volle Haftung der Beklagten für den Unfallschaden stand dem Grunde nach außer Streit.
Die Klägerin hat den Reparaturschaden fiktiv – auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens – in Höhe von 1.443,78 EUR netto abgerechnet. Hiervon hat die Beklagte 1.318,11 EUR erstattet. Nicht ersetzt hat sie den nunmehr mit der Klage geltend gemachten Differenzbetrag von 125,67 EUR, der laut Abrechnung für UPE-Aufschläge, einen Kleinteilaufschlag und einen Teil der Lackmaterialkosten anfällt. Die Beklagte begründete dies damit, dass die Klägerin als großes Autovermietungsunternehmen bei Reparaturen Großkundenrabatte erhalte und deshalb diese Aufschläge und Kosten nicht anfielen. Den Großkundenrabatt müsse sich die Klägerin auch bei fiktiver Abrechnung anrechnen lassen.
Rz. 184
Mit der Klage wurden außerdem außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 281,30 EUR aus einem Gesamtschaden von 2.066,26 EUR geltend gemacht, in dem neben den Reparaturkosten in Höhe von 1.443,78 EUR auch Sachverständigenkosten, eine Auslagenpauschale und Schadensersatz wegen Wertminderung enthalten waren. Deren Ersatz hat die Beklagte mit der Begründung verweigert, es handle sich um einen einfach gelagerten Schadensfall und die Klägerin sei hinreichend geschäftlich gewandt, die Ansprüche selbst geltend zu machen. Allenfalls schulde die Beklagte außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten aus dem nicht regulierten Differenzbetrag.
Rz. 185
Das Amtsgericht hat der Klage überwiegend – mit Abstrichen beim Zinsausspruch – stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag (mit Ausnahme vom Amtsgericht zugesprochener und bereits mit der Berufung nicht mehr angegriffener Entziehungszinsen) weiter.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 186
Die Revision war begründet, soweit das Berufungsgericht die Anrechnung eines etwaigen Großkundenrabatts auf die von der Klägerin abgerechneten fiktiven Reparaturkosten verneint hatte.
Das Wirtschaftlichkeitsgebot im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gilt nicht absolut, sondern nur im Rahmen des dem Geschädigten Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage. Nimmt der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Schadensbehebung selbst in die Hand, ist der zur Herstellung erforderliche Aufwand nach der besonderen Situation zu bemessen, in der sich der Geschädigte befindet. Es ist insbesondere Rücksicht auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Diese "subjektbezogene Schadensbetrachtung" kann sich sowohl zugunsten des Geschädigten als auch zugunsten des Schädigers auswirken. Sind die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten beschränkt oder bestehen gerade für ihn Schwierigkeiten, so ist hierauf zu seinen Gunsten Rücksicht zu nehmen; solche Umstände können also (nur) anspruchserweiternd wirken. Verfügt er hingegen über eine besondere Expertise, erhöhte Einflussmöglichkeiten oder sonstige Vorteile oder Erleichterungen, so ist hierauf zu Gunsten des Schädigers Rücksicht zu nehmen; diese Umstände können also anspruchsverkürzend wirken (vgl. Senatsurt. v. 18.10.2011 – VI ZR 17/11, NJW 2012, 50 Rn 7 f., für die Inanspruchnahme eines Werksangehörigenrabatts; v. 20.12.2016 – VI ZR 612/15, VersR 2017, 436 Rn 12, zur besonderen Expertise einer mit Fachleuten besetzten Fachbehörde in den sog. Straßenreinigungsfällen; v. 25.6.2019 – VI ZR 358/18, juris Rn 19, zu den Erkenntnismöglichkeiten eines mit dem An- und Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen befassten Unternehmens im Hinblick auf den Restwert des Unfallfahrzeugs; Zoll in Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kap. 40 Rn 15, Kap. 41 Rn 8). So kann es in der Situation des Geschädigten wirtschaftlich objektiv unvernünftig sein, im Rahmen der Schadensabwicklung eine vorteilhafte Möglichkeit ungenutzt zu lassen, die im Rahmen des eigenen Gewerbes typischerweise ohne weiteres genutzt wird. Die subjektbezogene Schadensbetrachtung bedeutet dabei nicht, dass ein in der Situation des Geschädigten wirtschaftlich unangemessenes Verhalten erst unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2...