Rz. 62
Zitat
BGB § 249
Lässt der Geschädigte das Fahrzeug reparieren, kann er grundsätzlich Ersatz der Reparaturkosten verlangen, wenn diese den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen.
a) Der Fall
Rz. 63
Der Kläger begehrte Ersatz seines restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom 16.12.2003, für den die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners in vollem Umfang einzustehen hatte.
Mit Gutachten vom 16.12.2003 hatte ein Kfz-Sachverständiger für das klägerische Fahrzeug einen Wiederbeschaffungswert von 10.650 EUR und einen Restwert von 3.000 EUR angegeben. Für eine Reparatur prognostizierte er Kosten in Höhe von 8.880 EUR brutto mit einer verbleibenden Wertminderung von 500 EUR.
Rz. 64
Der Kläger beauftragte am 18.12.2003 eine Fachwerkstatt mit der Durchführung der Reparatur. Am 9.1.2004 holte er das fachgerecht instand gesetzte Fahrzeug ab. Am 12.1.2004 berechnete die Fachwerkstatt ihre Arbeiten mit 9.260 EUR brutto. Am 13.1.2004 veräußerte der Kläger das Fahrzeug an den Reparaturbetrieb und kaufte bei diesem einen anderen Wagen. Die Entscheidung für den Erwerb eines Neufahrzeugs hatte er während der Reparatur getroffen.
Rz. 65
Der Kläger begehrte von der Beklagten Ersatz der tatsächlich angefallenen Reparaturkosten sowie den merkantilen Minderwert. Die Beklagte hat lediglich den Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 7.650 EUR ausgeglichen.
Das Amtsgericht hat die auf den Differenzbetrag in Höhe von 2.110 EUR gerichtete Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 66
Nach Auffassung des Berufungsgerichts war der Schadensersatzanspruch des Klägers auf die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beschränkt, weil er den beschädigten Pkw nach der Reparatur nicht weiter genutzt hatte.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts hielten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rz. 67
Das Berufungsgericht ging im Ansatz zutreffend davon aus, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats dem Unfallgeschädigten für die Berechnung eines Kfz-Schadens im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung stehen: die Reparatur des Unfallfahrzeugs oder die Anschaffung eines "gleichwertigen" Ersatzfahrzeugs. Verfehlt war jedoch seine Auffassung, der Kläger könne nicht Ersatz der Reparaturkosten verlangen, weil er das Fahrzeug nach der Reparatur nicht weiter benutzt und deshalb kein Integritätsinteresse zum Ausdruck gebracht habe. Darauf kam es bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht an. Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Geschädigte, der das Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt, grundsätzlich Ersatz der Reparaturkosten verlangen, wenn diese den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen. Das Vorliegen eines Integritätsinteresses kann insoweit nur dann eine Rolle spielen, wenn es um die Frage geht, ob der Geschädigte unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots sein Fahrzeug überhaupt reparieren darf, wenn nämlich die Reparaturkosten dessen Wert übersteigen (sogenannte 130 % Grenze). Das war hier ersichtlich nicht der Fall.
Rz. 68
Verfehlt war auch der Abzug des Restwerts, mit dem das Berufungsgericht den Anspruch des Geschädigten auf den Wiederbeschaffungsaufwand begrenzen wollte. Das hätte nur dann richtig sein können, wenn der Geschädigte anstelle der Reparatur eine Ersatzbeschaffung gewählt hätte und den Schaden auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten abrechnen würde (vgl. Senatsurt. BGHZ 162, 170, 174). Vorliegend hatte der Kläger jedoch das Fahrzeug tatsächlich reparieren lassen und konnte deshalb Ersatz der hierdurch konkret entstandenen Reparaturkosten verlangen, die den Wiederbeschaffungswert nicht überstiegen. Hat sich also der Geschädigte für eine Reparatur entschieden und diese tatsächlich durchführen lassen, spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob und wann er danach ein anderes Fahrzeug erwirbt. Ein solcher Vorgang stellt sich aus rechtlicher Sicht nicht als "Ersatzbeschaffung" anstelle einer Reparatur dar, die ja im Streitfall bereits tatsächlich erfolgt war. Soweit das Berufungsgericht aus früheren Senatsurteilen etwas anderes ableiten wollte, übersah es, dass es sich dabei um Fälle der fiktiven Schadensabrechnung gehandelt hat.