Rz. 79
Zitat
BGB § 249
Kommt es beim Kraftfahrzeughaftpflichtschaden für den Umfang des Schadensersatzes darauf an, ob die vom Sachverständigen kalkulierten Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen, ist in der Regel auf die Bruttoreparaturkosten abzustellen.
a) Der Fall (vereinfacht)
Rz. 80
Der Kläger verlangte von den Beklagten restlichen Schadensersatz für sein bei einem Verkehrsunfall beschädigtes Fahrzeug. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach war unstreitig. Ausweislich eines vom Kläger eingeholten Gutachtens betrugen die Reparaturkosten 9.000 EUR netto (10.710 EUR brutto) und der Wiederbeschaffungswert incl. Mehrwertsteuer 10.000 EUR. Der Kläger verlangte von den Beklagten daraufhin Ersatz der Nettoreparaturkosten von 9.000 EUR. Der beklagte Haftpflichtversicherer regulierte den Schaden in Höhe des Wiederbeschaffungswerts von 10.000 EUR abzüglich 4.000 EUR Restwert, und zahlte daher 6.000 EUR. Mit der Klage verlangte der Kläger die Zahlung des Differenzbetrags.
Rz. 81
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seinen Klagantrag weiter. Die Revision hatte keinen Erfolg.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 82
Zutreffend legte das Berufungsgericht seiner Entscheidung die ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats zu Grunde. Übersteigt der Kraftfahrzeugschaden den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs – im Rahmen der 130 %-Grenze –, können Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen, grundsätzlich nur dann zuerkannt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat. Diese Reparaturkosten müssen auch konkret angefallen sein oder der Geschädigte muss nachweisbar wertmäßig in einem Umfang repariert haben, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt. Anderenfalls ist die Höhe des Ersatzanspruchs auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt (Senatsurt. BGHZ 162, 161 ff.; 162, 170 ff.). Hingegen spielt die Qualität der Reparatur so lange keine Rolle, wie die geschätzten Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, so dass in diesem Fall die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts ohne Abzug des Restwerts verlangt werden können (Senatsurt. BGHZ 154, 395 ff.; 168, 43 ff.).
Rz. 83
Die Revision meinte, im vorliegenden Fall überstiegen die geschätzten Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht, weil sie nur netto, also ohne Zurechnung der Mehrwertsteuer, anzusetzen seien. Die nach der Schuldrechtsreform geltende Fassung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB bestimme, dass Umsatzsteuer bei Schadensersatz nur dann verlangt werden könne, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen sei. Diese Norm enthalte ein allgemein geltendes schadensersatzrechtliches Prinzip, nach dem auch bei Elementen der Schadensberechnung Umsatzsteuer nur dann in die Berechnung einfließen dürfe, wenn sie effektiv bezahlt wurde. Hieraus ergebe sich, dass dann, wenn, wie hier, der Wiederbeschaffungswert umsatzsteuerneutral sei, weil vergleichbare Fahrzeuge nur auf dem Privatmarkt angeboten würden, dieser Wert nicht zu korrigieren sei.
Dem ist der erkennende Senat nicht gefolgt.
Rz. 84
Dem Geschädigten, der eine Reparatur nachweislich durchführt, werden die zur Instandsetzung erforderlichen Kosten, die den Wiederbeschaffungswert bis zu 30 % übersteigen, nur deshalb zuerkannt, weil regelmäßig nur die Reparatur des dem Geschädigten vertrauten Fahrzeugs sein Integritätsinteresse befriedigt, wobei aber letztlich wirtschaftliche Aspekte den Zuschlag von bis zu 30 % zum Wiederbeschaffungswert aus schadensrechtlicher Sicht als gerechtfertigt erscheinen lassen. Dabei ist zu bedenken, dass die Schadensersatzpflicht von vornherein nur insoweit besteht, als sich die Aufwendungen im Rahmen wirtschaftlicher Vernunft halten.
Rz. 85
Daran hat sich der Vergleichsmaßstab auszurichten. Nimmt der Geschädigte – wie hier – nur eine Notreparatur vor, stellen die vom Sachverständigen geschätzten Bruttoreparaturkosten einschließlich der Mehrwertsteuer regelmäßig den Aufwand dar, den der Geschädigte hätte, wenn er das Fahrzeug tatsächlich derart reparieren ließe, so dass ein Schadensersatz im Rahmen der 130 %-Grenze in Betracht käme. Dieser Aufwand ist mit dem Wiederbeschaffungswert zu vergleichen. Liegt der Betrag der vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten einschließlich der Mehrwertsteuer über dem Wiederbeschaffungswert, kann eine Reparatur nur dann als noch wirtschaftlich vernünftig angesehen werden, wenn sie vom Integritätsinteresse des Geschädigten geprägt ist und fachgerecht sowie in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat. Eine fiktive Schadensabrechnung führt in diesem Fall dazu, dass der Geschädigte nur den Wie...