Dr. K. Jan Schiffer, Eberhard Rott
Rz. 34
In der Erschließung neuer Tätigkeitsfelder ist die Kreditwirtschaft den freien Berufen oftmals um Jahre voraus. Dies zeigt bereits die lange und teilweise unerfreuliche Diskussion um die Einführung des Fachberaters bei den Steuerberatern oder die Einführung des Fachanwalts für Erbrecht im Bereich der Anwaltschaft.
So hat die Kreditwirtschaft die Testamentsvollstreckung – und auch die darauf gerichtete Gestaltungsberatung – schon seit geraumer Zeit als Mittel entdeckt, ihre Geschäftsbeziehungen mit vermögenden Kunden und ihren Angehörigen auch nach dem Tode zu erhalten. Den Kunden wird der Eindruck vermittelt, der Vollzug ihrer letztwilligen Verfügungen, die Verwaltung ihres Nachlasses für die Erben und die Einhaltung ihrer Auflagen und Wünsche werde mit besonderem Sachverstand durchgeführt.
Rz. 35
Des Weiteren erscheint gewährleistet, dass die Bank "bis in alle Ewigkeit" besteht, während eine zum Testamentsvollstrecker bestimmte natürliche Person noch vor dem Erblasser versterben kann. So verwundert es nicht, dass die Grundsatzentscheidungen des BGH zur geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckung, von der auch die Steuerberater profitieren, ganz wesentlich auf das Betreiben der Banken zurückgingen. Bis dahin wurde die Rechtmäßigkeit dieser Dienstleistung wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz in Zweifel gezogen.
Rz. 36
Der Umfang der Tätigkeit der Kreditinstitute auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung kann noch nicht abschließend bewertet werden. Nach einer anfänglichen Euphorie machte sich schon wenige Jahre nach den von den Finanzinstituten maßgeblich herbeigeführten Urteilen unter den Banken und Sparkassen Ernüchterung breit. Die Institute, die die Testamentsvollstreckung schon vor den Entscheidungen des BGH betrieben, fühlen sich bestätigt und gingen nach unserer Beobachtung das Tätigkeitsfeld nochmals offensiver an. In diesem Zusammenhang wurden teilweise den speziellen Bedürfnissen dieser Art von Testamentsvollstreckung angepasste Vergütungsstrukturen entwickelt. Andere Institute zeigen sich zwar interessiert und schickten ihre Mitarbeiter zu Fortbildungsveranstaltungen, bleiben in der praktischen Umsetzung zunächst zurückhaltend. Die bei großen Unternehmen typischen Ängste vor einem nicht zu bewältigenden administrativen Aufwand, Controlling, Haftung und internem Kompetenzgerangel wurden als Gründe ausgemacht. Seit dem Rückgang des klassischen privaten Bankgeschäftes ist nunmehr wieder eine deutlich verstärkte Tendenz der Banken und Sparkassen zu erkennen, ihren Kunden die Testamentsvollstreckung durch das eigene Haus als Mittel der Nachfolgeplanung anzubieten. Das Problem der nicht nur rechtlichen Komplexität nicht weniger Testamentsvollstreckungen und die Frage, wie das durch eine Institution gelöst werden kann, bleibt dabei ein wesentlicher Problempunkt. Fachnetzwerke sind da oftmals eine passende Antwort.