Rz. 5

 

§ 1610 Maß des Unterhalts

(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des bedürftigen (angemessener Unterhalt)

(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.

 

Rz. 6

Das Kind leitet seine Lebensstellung und damit seinen Bedarf von den Eltern ab. Die Lebensstellung der Eltern bestimmt sich wiederum nach dem verfügbaren Einkommen.

 

BGH, Beschl. v. 29.9.2021 – XII ZB 474/20 Rn 32

(a) Der Bedarf bemisst sich beim Kindesunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Kindes, die es regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ableitet. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kommt es auch beim Unterhalt minderjähriger Kinder auf die Lebensstellung beider Eltern an (Senatsbeschluss BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28 Rn 14), …

 

Hinweis

Da nur die Zahlungspflicht des barunterhaltspflichtigen Elternteils hier von Bedeutung ist und dessen Haftung ohnehin auf den Bedarf begrenzt ist (vgl. nur BGH Beschl. v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16 Rn 13), der sich aus seinem Einkommen – und nicht aus dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile – ergibt, ist es vorliegend und in vielen Fällen gerechtfertigt, den Bedarf nur anhand des Einkommens des ­Barunterhaltspflichtigen zu ermitteln.[2] Bedeutung erlangt der aus dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern ermittelte Barunterhaltsanteil des betreuenden Elternteils – er leistet diesen in Form von Naturalunterhalt –, wenn daneben ein Ehegattenunterhaltsanspruch besteht. Denn diese Unterhaltsverpflichtung reduziert das Einkommen des unterhaltsberechtigten Elternteils (BGH Beschl. v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16 Rn 14), was zu einer Erhöhung des Ehegattenunterhalts führen kann.[3] Für diesen Bereich des Minderjährigenunterhalts sollte jedoch im Hinblick auf die Praxistauglichkeit der Berechnungsweisen eine Einschränkung erwogen werden: eine relevante Naturalunterhaltsleistung des betreuenden Elternteils sollte nur in den Fällen bejaht werden, in denen der betreuende Elternteil ein bereinigtes Einkommen über 1.400 EUR (angemessener Selbstbehalt) hat.

 

BGH, Beschl. v. 21.10.2020 – XII ZB 201/19 Rn 23

aa) Der Unterhaltsbedarf richtet sich beim Verwandtenunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Das minderjährige Kind leitet seine Lebensstellung von seinen Eltern ab (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 213, 254 = FamRZ 2017, 437 Rn 23 ff.). Die für die Höhe des Unterhalts maßgebende Lebensstellung der Eltern wird in der Praxis vorzugsweise nach dem verfügbaren Einkommen bestimmt, woran sich auch die Düsseldorfer Tabelle orientiert.

 

Rz. 7

Der Bedarf richtet sich grds. nach der Düsseldorfer Tabelle (DT), die sich – neben Alter und Anzahl der Unterhaltsberechtigten – am Einkommen der Eltern orientiert.

 

BGH, Urt. v. 17.9.2008 – XII ZR 72/06

Das minderjährige Kind leitet seine Lebensstellung von seinen Eltern ab. Die für die Höhe des Unterhalts maßgebende Lebensstellung der Eltern wird in der Praxis vorzugsweise nach dem verfügbaren Einkommen bestimmt, woran sich auch die Düsseldorfer Tabelle orientiert. Anders als beim Ehegattenunterhalt ist der Lebensstandard der Kinder nicht auf die zum Zeitpunkt der Ehescheidung vorhandenen Einkommensquellen begrenzt. Vielmehr sind auch erst nach der Scheidung beim Unterhaltspflichtigen entstandene Vorteile zu berücksichtigen und fließen damit in den Lebensbedarf des Kindes ein.

 

Rz. 8

Da es sich beim Kindesunterhalt um ein Massenphänomen handelt, ist eine solche Pauschalierung anhand einer Tabelle gerechtfertigt und geboten.

 

BGH, Beschl. v. 21.10.2020 – XII ZB 201/19 Rn 15

Denn gerade im Unterhaltsrecht ist eine Pauschalierung dringender erforderlich als im Schadensersatzrecht, weil es sich hier um ein Massenphänomen handelt und deswegen schon aus Gründen der Praktikabilität erleichterte Berechnungsregeln für die gerichtliche Praxis notwendig sind.

 

BGH, Beschl. v. 16.9.2020 – XII ZB 499/19 Rn 15

Zur Bemessung des angemessenen Unterhalts im Sinne von § 1610 BGB wird nach einhelliger Praxis der Familiengerichte die Düsseldorfer Tabelle verwendet (derzeitiger Stand: 1.1.2020; FamRZ 2020, 147).

Diese dient als Richtlinie, um ausgerichtet an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern und dem Alter des Kindes eine gleichmäßige Behandlung gleicher Lebenssachverhalte zu ermöglichen, und ist vom Senat in ständiger Rechtsprechung gebilligt worden (Senatsurteil vom 13.10.1999 – XII ZR 16/98, FamRZ 2000, 358 m.w.N.; vgl. Wendl/Dose/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 2 Rn 315 ff.

 

Rz. 9

Zum verfügbaren Einkommen gehört neben tatsächlichem Einkommen auch fiktives Einkommen (erzieltes und erzielbares Einkommen).

 

BGH, Beschl. v. 11.1.2017 – XII ZB 565/15 Rn 27[4]

Grundsätzlich bestimmt auch das einem Elternteil anrechenbare fiktive Einkommen den Bedarf des Kindes. Denn ...

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