Rz. 21

M ist seinem 9-jährigen Kind K1, das bei seiner Mutter lebt, zum Unterhalt verpflichtet. M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 1.800 EUR. Er hat keine weiteren Unterhaltspflichten.

I. Anspruchsgrundlage für Kindesunterhalt und Barunterhaltspflicht

 

Rz. 22

Zu den Anspruchsgrundlagen siehe Fall 1 (siehe Rdn 1 ff.).

II. Bedarf

 

Rz. 23

Der Bedarf von Kindern richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle (DT). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Fall 1 (siehe Rdn 1 ff.) verwiesen.

M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.800 EUR.

Zwar bestimmt sich die Lebensstellung des Kindes nach der Lebensstellung beider Eltern und damit nach dem Einkommen beider Eltern, doch kann in einem Fall wie hier – beim Residenzmodell, anders bspw. beim Wechselmodell – allein auf das Einkommen des Barunterhaltspflichtigen abgestellt werden (siehe auch Rdn 5).

 

BGH, Beschl. v. 16.9.2020 – XII ZB 499/19 Rn 14

Der Bedarf bemisst sich beim Kindesunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Kindes, die es regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ableitet.

Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kommt es auch beim Unterhalt minderjähriger Kinder auf die Lebensstellung beider Eltern an (Senatsbeschluss BGHZ 213, 254 = FamRZ 2017, 437 Rn 24 f.; vgl. Dose, Festschrift Koch S. 427, 428).

Dabei ist die Unterhaltspflicht aber auf den Betrag begrenzt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund des von ihm erzielten Einkommens zahlen muss.

Der Kindesunterhalt kann daher in der hier vorliegenden Fallkonstellation des sogenannten Residenzmodells in der Regel aufgrund des vom Barunterhaltspflichtigen erzielten Einkommens ermittelt werden (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 213, 254 = FamRZ 2017, 437 Rn 25 m.w.N.; Gutdeutsch, System der Unterhaltsberechnung, S. 39).

M hat also ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.800 EUR.

Es kommt deshalb grundsätzlich die Einkommensgruppe 1 (bis 1.900 EUR) zur Anwendung.

Es ist nur ein Unterhaltsberechtigter vorhanden.

Eine Höherstufung um eine Einkommensgruppe führt zur Einkommensgruppe 2 (1.901–2.300 EUR).

Kind K1 ist 9 Jahre alt, es fällt also in die Altersstufe 2.

Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 478 EUR.

Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen.

 

Zur Erinnerung:

Das Kindergeld betrug ab 1.7.2019 monatlich

für erste und zweite Kinder 204 EUR,
für dritte Kinder 210 EUR und
für vierte und weitere Kinder 235 EUR.

Zum 1.1.2021 wurde das Kindergeld erhöht, und beträgt seither:

für erste und zweite Kinder auf 219 EUR,
für dritte Kinder auf 225 EUR und
für vierte und weitere Kinder auf 250 EUR.

Der Unterhalt für K1 beträgt somit 368,50 EUR (478 – 109,50 EUR).

 

Rz. 24

Bedarfskontrolle

M verbleiben 1.431,50 EUR (1.800 – 368,50 EUR). Der Bedarfskontrollbetrag der zweiten Einkommensgruppe von 1.400 EUR ist gewahrt.

 

Anmerkung 6 zur DT

Der Bedarfskontrollbetrag des Unterhaltspflichtigen ab Gruppe 2 ist nicht identisch mit dem Eigenbedarf. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den unterhaltsberechtigten Kindern gewährleisten. Wird er unter Berücksichtigung anderer Unterhaltspflichten unterschritten, ist der Tabellenbetrag der nächst niedrigeren Gruppe, deren Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten wird, anzusetzen.

III. Unterhaltshöhe und Leistungsfähigkeit

 

Rz. 25

K hat kein Eigeneinkommen mit dem es seinen Bedarf selbst decken könnte.

1. Notwendiger Selbstbehalt

 

Rz. 26

M bleiben nach Zahlung mehr als 1.160 EUR, nämlich 1.431,50 EUR (1800 – 368,50 EUR). Sein notwendiger Selbstbehalt ist gewahrt.

2. Angemessener Selbstbehalt

 

Rz. 27

Die Unterhaltsleitlinien des OLG Düsseldorf sehen aber vor, dass der notwendige Selbstbehalt (960/1.160 EUR) nur solange zur Anwendung kommt, als dies zur Sicherstellung des Mindestunterhalts erforderlich ist. Sobald der Mindestunterhalt gewahrt ist, gilt der angemessene Selbstbehalt (1.400 EUR).

 

Leitlinien des OLG Düsseldorf Stand 1.1.2022

21.2 Der notwendige Selbstbehalt gilt gegenüber minderjährigen unverheirateten und ihnen gleichgestellten volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB). …

Bei Deckung des Mindestunterhalts gilt auch gegenüber Ansprüchen minderjähriger Kinder und ihnen gleichgestellter volljähriger Kinder der angemessene Selbstbehalt nach Nr. 21.3.1.

Im vorliegenden Fall ist auch der angemessene Selbstbehalt des M (1.400 EUR) gewahrt. M bleiben 1.431,50 EUR.

IV. Zahlungspflicht

 

Rz. 28

M hat K1 somit 368,50 EUR (= 105 % des Mindestunterhalts der Altersstufe 2) zu zahlen.

V. Hinweis

 

Rz. 29

Der Bedarfskontrollbetrag dient also nur der Ausgewogenheit der wirtschaftlichen Verhältnisse, er ist kein Selbstbehalt – wenngleich in der ersten Einkommensgruppe identisch mit dem notwendigen Selbstbehalt (1.160/960 EUR) und in der zweiten Einkommensgruppe mit dem angemessenen Selbstbehalt (1.400 EUR).

Es muss der Bedarfskontrollbetrag der Einkommensgruppe gewahrt sein, aus der der Unterhaltsbetrag entnommen werden soll.[10]

Der Bedarfskontrollbetrag hat besonders dann Bedeutung, wenn neben dem Kindesunterhalt auch Ehegattenunterhalt geschuldet wird.[11]

[10] Vgl. hierzu Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn 353.
[11] Wendl/Klinkhammer, § 2 Rn 354.

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