Rz. 30
M ist seinem 9-jährigen Kind K, das bei seiner Mutter lebt, zum Unterhalt verpflichtet. M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 1.300 EUR. Er hat keine weiteren Unterhaltspflichten.
I. Anspruchsgrundlage für Kindesunterhalt und Barunterhaltspflicht
Rz. 31
Zur Anspruchsgrundlage siehe Fall 1 (siehe Rdn 1 ff.).
II. Bedarf
Rz. 32
Der Bedarf von minderjährigen Kindern richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle (DT). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Fall 1 (siehe Rdn 1 ff.) verwiesen.
Rz. 33
M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.300 EUR. Es kommt deshalb grundsätzlich die Einkommensgruppe 1 (bis 1.900 EUR) zur Anwendung. Es ist ein Unterhaltsberechtigter vorhanden. Eine Höherstufung hat hier aber nur theoretische Bedeutung, da offensichtlich ein Mangelfall vorliegt.
Rz. 34
Kind K ist 9 Jahre alt, es fällt also in die Altersstufe 2. Sein Mindestbedarf beträgt damit grundsätzlich 455 EUR. Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen. Der Bedarf von K beträgt somit 345,50 EUR (455 – 109,50 EUR).
III. Bedürftigkeit/Unterhaltshöhe
Rz. 35
Das Kind hat kein eigenes Einkommen, so dass der Bedarf der Unterhaltshöhe entspricht.
IV. Leistungsfähigkeit
Rz. 36
Müsste M den ermittelten Unterhalt leisten, verblieben ihm nur 954,50 EUR (1.300 – 345,50 EUR).
Unterhaltspflichten dürfen nicht dazu führen, dass der Unterhaltsverpflichtete selbst auf Leistungen Dritter angewiesen wäre. Deshalb muss dem Unterhaltspflichtigen stets ein gewisser Mindestanteil (Selbstbehalt) von seinem Einkommen verbleiben, dessen Höhe wiederum von der Art der Unterhaltspflicht und damit dem Grad bzw. Umfang der Einstandspflicht abhängt.
§ 1603 Leistungsfähigkeit
(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.
(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel (Anm.: dies definiert den notwendigen Selbstbehalt) zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden.
BGH, Beschl. v. 9.3.2016 – XII ZB 693/14 Tz. 14
Die Verpflichtung zur Zahlung von Verwandtenunterhalt findet nach § 1603 Abs. 1 BGB dort ihre Grenze, wo der Unterhaltspflichtige bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen insbesondere weiterer Unterhaltspflichten außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt des Berechtigten zu gewähren. § 1603 Abs. 1 BGB gesteht damit jedem Unterhaltspflichtigen vorrangig die Sicherung seines eigenen angemessenen Unterhalts zu; ihm sollen grundsätzlich die Mittel verbleiben, die er zur angemessenen Deckung des seiner Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs benötigt.
BGH, Beschl. v. 22.5.2019 – XII ZB 613/16 Rn 21
Leistungsfähig ist nach § 1603 Abs. 1 BGB nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden.
Gegenüber minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern besteht eine gesteigerte Unterhaltspflicht, die zur Sicherstellung des Mindestunterhalts für diese Kinder eine Herabsetzung des Selbstbehalts auf den notwendigen Selbstbehalt gestattet.
BGH, Beschl. v. 22.5.2019 – XII ZB 613/16 Rn 36 f.
Denn Eltern, die nicht in der Lage sind, ihren Kindern den Mindestunterhalt zu gewähren, sind gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (sogenannte gesteigerte Unterhaltspflicht). Dies beruht auf ihrer besonderen Verantwortung für den angemessenen, nicht nur den notwendigen Unterhalt ihrer Kinder (vgl. Senatsurteil vom 30.1.2013 – XII ZR 158/10, FamRZ 2013, 616 Rn 18 m.w.N.). Diese besonderen Anforderungen an gesteigert unterhaltspflichtige Eltern verbieten eine Absonderung von Mitteln allein auf der Grundlage der Zweckbestimmung Dritter. Bis zur Höhe des Mindestbedarfs ist deswegen allein der notwendige Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen geschützt und auch auf die Einkünfte zurückzugreifen, die andere Unterhaltsberechtigte dem Unterhaltspflichtigen – aus welchen Gründen auch immer – endgültig belassen.
BGH, Beschl. v. 16.3.2020 – XII ZB 213/19 Rn 41
Nach § 1603 Abs. 1 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber allerdings verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (sog. gesteigerte Unterhaltspflicht).
BGH, Beschl. v. 1.7.2015 – XII ZB 240/14 Rn 22
Die Bemessung des dem Unterhaltspflichtigen zu belassenden Se...