Rz. 83
M ist seinem neunjährigen Kind K1 und seinem sechsjährigen Kind K2, die beide bei ihrer Mutter leben, zum Unterhalt verpflichtet. Er hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 1.400 EUR. M hat keine weiteren Unterhaltspflichten.
I. Anspruchsgrundlage für Kindesunterhalt und Barunterhaltspflicht
Rz. 84
Zur Anspruchsgrundlage vgl. Fall 1 (siehe Rdn 1 ff.).
II. Bedarf
Rz. 85
Der Bedarf von Kindern richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle (DT). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Fall 1 (siehe Rdn 1 ff.) verwiesen.
Rz. 86
M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.400 EUR. Es kommt deshalb grundsätzlich die Einkommensgruppe 1 (bis 1.900 EUR) zur Anwendung. Es sind 2 Unterhaltsberechtigte vorhanden. Eine Höherstufung ist deshalb nicht geboten – und würde sich wegen der beschränkten finanziellen Verhältnisse im Ergebnis auch nicht auswirken.
Rz. 87
Kind K1 ist 9 Jahre alt, es fällt also in die Altersstufe 2. Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 455 EUR.
Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen. Der Unterhalt für K1 beträgt somit 345,50 EUR (455 – 109,50 EUR).
Rz. 88
Kind K2 ist 6 Jahre alt, es fällt also ebenfalls in die Altersstufe 2. Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 455 EUR.
Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen. Der Unterhalt für K1 beträgt somit 345,50 EUR (455 – 109,50 EUR).
III. Leistungsfähigkeit
Rz. 89
M bleiben 709 EUR (1.400 – 345,50 – 345,50 EUR); sein notwendiger Selbstbehalt von 1.160 EUR (vgl. hierzu Fall 3, siehe Rdn 30 ff.) ist nicht gewahrt (zum notwendigen Selbstbehalt s. Nr. 21.2 der im Einzelfall anzuwendenden Leitlinien bzw. Nr. 21.2 der SüdL Anhang Nr. 2).
Rz. 90
Es ist ein Mangelfall gegeben, weil das Einkommen des M nicht ausreicht, alle gleichrangigen Unterhaltsansprüche zu erfüllen.
Eine gesetzliche Regelung besteht nur für die Verteilung zwischen Unterhaltsberechtigten mit unterschiedlichem Rang bzw. für die Verteilung aufgrund des Ranges. Nicht geregelt ist die Verteilung bei Gleichrang der Unterhaltsberechtigten.
BGH, Beschl. v. 22.5.2019 – XII ZB 613/16 Rn 22
Treffen den Unterhaltsschuldner als sonstige Verpflichtungen mehrere Unterhaltsverpflichtungen, besteht eine Rangfolge unter diesen nur nach Maßgabe des § 1609 BGB (Staudinger/Klinkhammer, BGB [2018], § 1603 Rn 200; Wendl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 5 Rn 120 ff.; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn 37 zu § 1581 BGB).
Nicht geregelt ist in § 1609 BGB dagegen, wie die für die Unterhaltsleistungen zur Verfügung stehenden Mittel unter den Unterhaltsberechtigten zu verteilen sind, wenn sie – wie hier (jedenfalls bis November 2018; vgl. im Übrigen § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) alle minderjährigen Kinder des Antragsgegners gemäß § 1609 Nr. 1 BGB – auf derselben Rangstufe stehen.
Die Verteilungsmasse ist entsprechend dem Bedarf der Kinder auf die Kinder zu verteilen.
BGH, Beschl. v. 22.5.2019 – XII ZB 613/16 Rn 22
Die einzelnen Ansprüche beschränken sich dabei gemäß § 1603 Abs. 2 BGB gegenseitig, sodass sie verhältnismäßig gekürzt werden müssen (Staudinger/Klinkhammer, BGB [2018], § 1603 Rn 200, § 1609 Rn 25; Soergel/Lettmaier, BGB, 13. Aufl., § 1609 Rn 9; Wendl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 5 Rn 155 ff.). Diese Kürzung erfolgt grundsätzlich proportional zu dem Unterhaltsbedarf der einzelnen Bedürftigen. Danach ist also zunächst zu prüfen, welcher Unterhaltsanspruch jedem Berechtigten bei voller Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zustehen würde. Sodann ist jeder Anspruch in dem Verhältnis zu kürzen, in dem die verfügbaren Mittel zu der Summe aller Ansprüche stehen (Staudinger/Klinkhammer, BGB [2018], § 1609 Rn 26).
Ein grundsätzlich bestehender Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes kann und muss aber in Fällen des § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB bei der Mangelfallberechnung außer Betracht bleiben, wenn und soweit der Unterhaltsanspruch vom Unterhaltspflichtigen (z.B. wegen Verjährung oder Verwirkung) nicht mehr erfüllt werden muss.
Im Fallbeispiel sind jedoch beide Unterhaltsansprüche zu berücksichtigen.
Bedarf und somit Einsatzbetrag ist bei der Mangelfallberechnung der Zahlbetrag (vgl. C der DT, wo auch ein Berechnungsbeispiel für den Fall unterschiedlicher Zahlbeträge dargestellt ist.)
SüdL
24. Mangelfall
24.1 Ein absoluter Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen des Verpflichteten zur Deckung seines notwendigen Selbstbehalts und der gleichrangigen Unterhaltsansprüche der Kinder nicht ausreicht. Zur Feststellung des Mangelfalls entspricht der einzusetzende Bedarf für minderjährige und diesen nach § 1603 II 2 BGB gleichgestellten Kindern dem Zah...