Fall 1: M 3.000 EUR – K1 (9 J) – Allgemeines zum Kindesunterhalt und zur Düsseldorfer Tabelle –

 

Rz. 1

M ist seinem 9-jährigen Kind K1, das bei seiner Mutter lebt, zum Unterhalt verpflichtet. M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 3.000 EUR. Er hat keine weiteren Unterhaltspflichten.

I. Anspruchsgrundlage für Kindesunterhalt

 

Rz. 2

M ist seinem Kind K zum Unterhalt verpflichtet.

 

§ 1601 Unterhaltsverpflichtete

Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

Maßgebend für die Stellung als Kind ist die rechtliche Abstammung, nicht die leibliche.

 

BGH, Beschl. v. 29.1.2020 – XII ZB 580/18

Bei der Konkurrenz gleichrangiger Ansprüche auf Kindesunterhalt kommt es allein auf die rechtliche Abstammung des unterhaltsberechtigten Kindes vom Unterhaltspflichtigen an. Ob ein rechtliches Kind auch leibliches Kind des Unterhaltspflichtigen ist, ist hierfür unerheblich. Den Unterhaltspflichtigen trifft keine unterhaltsrechtliche Obliegenheit zur Anfechtung der Vaterschaft.

 

Hinweis

Zur Unterhaltspflicht des Mannes, der die Einwilligung zu einer heterologen künstlichen Befruchtung einer Frau erteilt hat, s. BGH, Urt. v. 23.9.2015 – XII ZR 99/14.

II. Bedürftigkeit

 

Rz. 3

 

§ 1602 Bedürftigkeit

(1) Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

Minderjährige Kinder sind in der Regel bedürftig. Ausnahmen (z.B. das Kind hat ausreichende Einkünfte aus Kapital oder Immobilienvermögen) sind freilich zu bedenken.

Bei volljährigen Kindern hat die Frage der Bedürftigkeit öfter Bedeutung (z.B. Ausbildungsvergütung).

III. Barunterhaltspflicht

 

Rz. 4

Der betreuende Elternteil erfüllt seine Unterhaltspflicht eben durch die Betreuung des Kindes, also durch Pflege und Erziehung (vom Betreuungsunterhalt ist wiederum der Naturalunterhalt zu unterscheiden, der den gesamten Lebensbedarf umfasst und an Stelle des Barunterhalts die materiellen Bedürfnisse des Kindes deckt[1]).

 

§ 1606 Rangverhältnis mehrerer Pflichtiger

(3) … Der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes.

Der Barbedarf des minderjährigen Kindes ist vom anderen Elternteil – hier M – zu decken.

 

§ 1612 Art der Unterhaltsgewährung

(1) Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Der Verpflichtete kann verlangen, dass ihm die Gewährung des Unterhalts in anderer Art gestattet wird, wenn besondere Gründe es rechtfertigen.

(2) …

(3) Eine Geldrente ist monatlich im Voraus zu zahlen. Der Verpflichtete schuldet den vollen Monatsbetrag auch dann, wenn der Berechtigte im Laufe des Monats stirbt.

 

BGH, Beschl. v. 4.10.2017 – XII ZB 55/17

Im sogenannten Residenzmodell (Anm.: im Gegensatz zum Wechselmodell) schuldet danach ein Elternteil den Barunterhalt der Kinder (zum Umfang der Barunterhaltspflicht vgl. Senatsbeschlüsse vom 15.2.2017 – XII ZB 201/16, FamRZ 2017, 711 Rn 11 ff. und vom 11.1.2017 – XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 Rn 23 ff.), während der andere deren Betreuung übernimmt (vgl. Senatsbeschluss vom 5.11.2014 – XII ZB 599/13, FamRZ 2015, 236 Rn 17 ff.).

 

BGH, Beschl. v. 21.10.2020 – XII ZB 201/19 Rn 15

aa) Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfüllt der Elternteil eines minderjährigen unverheirateten Kindes, bei dem dieses lebt, seine Unterhaltsverpflichtung in der Regel durch dessen Pflege und Erziehung. Die Vorschrift stellt klar, dass diese Betreuungsleistungen und die Barleistungen des anderen Elternteils grundsätzlich gleichwertig sind. Damit wird das Gesetz nicht nur der gerade für das Unterhaltsrecht unabweisbaren Notwendigkeit gerecht, die Bemessung der anteilig zu erbringenden Leistungen zu erleichtern. Es trägt auch der Tatsache Rechnung, dass eine auf den Einzelfall abstellende rechnerische Bewertung des Betreuungsaufwands unzulänglich bliebe.

Diese Gleichwertigkeit von Betreuungsleistung und Barunterhalt gilt für jedes Alter, also bis zur Volljährigkeit.

 

BGH, Beschl. v. 21.10.2020 – XII ZB 201/19 Rn 15

Die aus § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB abgeleitete Regel der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt gilt dabei für jedes Kindesalter bis hin zum Erreichen der Volljährigkeit (Senatsurteil vom 30.8.2006 – XII ZR 138/04, FamRZ 2006, 1597, 1598 f. m.w.N.).

[1] Vgl. hierzu Wendl/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, § 2 Rn 19 und BGH, Beschl. v. 16.4.2015 – IX ZB 41/14.

IV. Bedarf

1. Schematisiertes Unterhaltsmaß nach der Düsseldorfer Tabelle

 

Rz. 5

 

§ 1610 Maß des Unterhalts

(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des bedürftigen (angemessener Unterhalt)

(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.

 

Rz. 6

Das Kind leitet seine Lebensstellung und damit seinen Bedarf von den Eltern ab. Die Lebensstellung der Eltern bestimmt sich wiederum nach dem verfügbaren Einkommen.

 

BGH, Beschl. v. 29.9.2021 – XII ZB 474/20 Rn 32

(a) Der Bedarf bemisst sich beim Kindesunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Kindes, die es regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ableitet. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kommt e...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge