Dr. Christoph Lichtenberg
Rz. 25
Bei nahezu jedem Bauvorhaben kommt es zu Situationen, die nicht von vorneherein planbar sind. Dies führt nicht nur dazu, dass (wie oben erwähnt, siehe Rdn 9) der Einheitspreisvertrag der Standardtyp ist, sondern auch dazu, dass sogenannte Nachträge zum täglichen Geschäft gehören.
Rz. 26
Der Begriff "Nachtrag" ist nicht genau definiert und wird auf der Baustelle für jegliche Ansprüche verwendet, die über das ursprünglich Vereinbarte hinausgehen. Dazu werden also u.a. auch die Kosten, die aus Behinderungen resultieren, Verzugsschäden etc. gezählt. Dies sind jedoch im Grunde Schadensersatzansprüche, während in diesem Kapitel die Vergütungs- und vergütungsähnlichen Ansprüche betrachtet werden.
Rz. 27
Solche "Vergütungs-Nachträge" lassen sich im Wesentlichen einordnen als:
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Nachträge aus Mengenänderungen, |
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Nachträge infolge vom Auftraggeber veranlasster Änderungen des Leistungsinhalts und |
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Nachträge infolge nicht angeordneter Leistungsänderungen. |
Einen Sonderfall bildet noch der "Beschleunigungsnachtrag".
a) Vergütungsnachträge im VOB-Vertrag
Rz. 28
Die VOB/B enthalten für die meisten Nachtragstatbestände ausdrückliche Regelungen, ohne allerdings den Begriff "Nachtrag" zu verwenden. Die Regelungen finden sich für
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Nachträge aus Mengenänderungen in § 2 Abs. 3 VOB/B; |
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Nachträge infolge angeordneter geänderter oder zusätzlicher Leistungen in § 2 Abs. 5, 6 und 7 VOB/B; |
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Nachträge infolge nicht angeordneter Leistungsänderungen in § 2 Abs. 8 VOB/B; |
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Nachträge im Zusammenhang mit einem Verlangen des Auftraggebers nach Zeichnungen, Berechnung etc. in § 2 Abs. 9 VOB/B. |
aa) Mengenänderungen
Rz. 29
Wie eingangs (siehe Rdn 10) bereits erwähnt, stellen die im Auftrags-Leistungsverzeichnis angegebenen Vordersätze im Rahmen eines Einheitspreisvertrages lediglich eine Schätzung dar; der Abrechnungsbetrag ergibt sich aus den tatsächlich ausgeführten Massen. Grundsätzlich bietet eine Änderung der Massen gegenüber den ausgeschriebenen also keinen Anlass für einen Nachtrag, sondern die Vergütung ändert sich automatisch entsprechend der ausgeführten Menge (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B).
Rz. 30
Das sieht dann anders aus, wenn sich die Massen gegenüber der Ausschreibung in einem so starken Maße ändern, dass das Kalkulationsgefüge des Unternehmers nicht mehr "passt". Diese Grenze gibt für den Einheitspreisvertrag § 2 Abs. 3 Nr. 2 und 3 VOB/B vor: Änderungen von mehr als 10 % geben den Parteien das Recht, eine Preisanpassung – gemeint ist die Anpassung des jeweiligen Einheitspreises – vorzunehmen. Bei Änderungen in dieser Größenordnung kann es z.B. zu Änderungen in den Einkaufspreisen des Unternehmers kommen, oder aber das Logistik-Konzept muss angepasst werden. In erster Linie geht es jedoch darum, dass die Preisbestandteile, die nicht positionsbezogen sind, aber üblicherweise in Form von Zuschlägen auf die Einheitspreise umgelegt werden (Allgemeine Geschäftskosten, Baustellengemeinkosten, Wagnis und Gewinn) auf Basis der ausgeschriebenen Mengen kalkuliert werden, sodass es nun zu Unter- oder Überdeckungen kommen kann.
Rz. 31
Voraussetzungen für den Anspruch auf Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 VOB/B sind lediglich die tatsächliche, über 10 % hinausgehende Mengenänderung sowie die Geltendmachung des Rechts. Irgendein Mitwirken des Auftraggebers, vor allem eine Anordnung, ist nicht erforderlich; im Gegenteil – sofern die Mengenänderung auf einer Anordnung beruht, sind die Regelungen von § 2 Abs. 5, 6 VOB/B anzuwenden. § 2 Abs. 3 VOB/B gelangt daher nur dann zur Anwendung, wenn sich die ausgeführten Mengen infolge der Umstände geändert haben. Soweit es in der Regelung heißt, dass der neue Preis auf Verlangen "zu vereinbaren" ist, führt dies nicht zu einer weiteren Anspruchsvoraussetzung. Die "Vereinbarung" ist in der Praxis nicht erforderlich; es handelt sich lediglich um eine ungeschickte Formulierung.
Rz. 32
Ein bestimmter Zeitpunkt für die Geltendmachung der Anpassung, also das "Verlagen", ist nicht vorgegeben. Begrenzt wird die Möglichkeit nur durch die allgemeinen Grundsätze der Verwirkung; diese setzt aber zumindest die Bezahlung der Vergütung als Umstandsmoment voraus.
Rz. 33
§ 2 Abs. 3 VOB/B behandelt dabei die Erhöhung der Massen gegenüber der Ausschreibung und deren Verringerung unterschiedlich:
Rz. 34
Gem. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ist für die 110 % überschreitenden Mengen ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu bilden. Daraus folgt:
Rz. 35
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Es gibt als Folge der Anpassung für die gleiche Leistung zwei Preise, nämlich den vertraglichen Preis für die Massen bis 110 % (dieser bleibt unverändert) und den neuen Preis für die darüber hinausgehenden Massen. |
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Es sind auch eventuelle Minderkosten zu berücksichtigen, z.B. infolge verringerter Einkaufspreise oder die bessere Ausnutzung nicht ausgelasteter Geräte. |
Rz. 36
Gem. § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B ist bei einer Unterschreitung der Massen um mehr als 10 % der betroffene Einheitspreis zu erhöhen, sofern der Auftragnehmer nicht an anderer Stelle einen Ausgleich e...