Dr. Christoph Lichtenberg
Rz. 243
In vielen Fällen kann der Auftragnehmer neben den erbrachten Leistungen auch die vereinbarte Vergütung für die kündigungsbedingt nicht erbrachten Leistungen, allerdings abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitigem Verdienst, beanspruchen. Etwas verallgemeinert ist dies immer dann der Fall, wenn der Auftraggeber die Ursache für die Vertragsbeendigung gesetzt hat. Vor allen Dingen kommen also infrage:
Rz. 244
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Für die freie Kündigung des Auftraggebers nach § 8 Abs. 1 VOB/B bzw. nach § 648 BGB ist diese Vergütungsfolge ausdrücklich dort geregelt. |
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Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Kündigung des Auftraggebers, die vermeintlich aus wichtigem Grund erklärt wurde, regelmäßig in eine freie Kündigung umgedeutet, wenn sich herausstellt, dass kein wichtiger Grund vorlag. |
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Die Abrechnung nach einer Kündigung des Auftragnehmers gem. § 650f Abs. 5 BGB nach erfolgloser Fristsetzung zur Übergabe einer Bauhandwerkersicherheit. |
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In sonstigen, nicht ausdrücklich normierten Fällen, in welchen dem Auftragnehmer ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zusteht. Dies ist dann der Fall, wenn eine Vertragsverletzung des Auftraggebers das Vertrauensverhältnis derart erschüttert hat, dass dem Auftragnehmer bei Abwägung aller Umstände ein Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten ist. |
Rz. 245
Ein Schadensersatz kann dem Auftragnehmer daneben zwar u.U. bei dessen eigener, begründeter Kündigung zustehen, nicht aber bei der "freien" auftraggeberseitigen Kündigung, denn zu dieser ist der Auftraggeber berechtigt.
a) Grundsatz
Rz. 246
Für die Abrechnung der nicht erbrachten Leistungen muss auf jeden Fall zunächst die oben beschrieben Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen vorgenommen werden.
Rz. 247
Die Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen ergibt sich dann unschwer aus der Subtraktion der Vergütung für die erbrachten Leistungen vom vereinbarten Gesamtpreis. Zu berücksichtigen sind dabei Nachträge, die bereits beauftragt worden (und damit Vertragsleistung geworden) sind, sowie andere Umstände, die bei dem jeweiligen Vertrag und Vertragstyp den Vergütungsanspruch bei vollständiger Durchführung der Leistung zwingend verändert hätten.
Rz. 248
Von diesem Betrag sind dann die ersparten Aufwendungen sowie tatsächlicher oder böswillig unterlassener anderweitiger Verdienst abzuziehen. Dabei kann sich der Auftragnehmer auf gesetzliche Vermutungen berufen oder die Abzüge konkret ermitteln.
b) Gesetzliche Vermutung(en)
Rz. 249
Gesetzliche Vermutungen hinsichtlich der Vergütung nach Berücksichtigung der Abzüge sind in § 650f Abs. 5 S. 3 BGB und in § 648 S. 3 BGB enthalten. Sie lauten in beiden Fällen gleich, sodass von einer Vermutung gesprochen werden kann. § 8 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 VOB/B verweist ausdrücklich auf § 648 BGB (weil noch nicht überarbeitet, steht dort der Verweis fälschlich auf § 649 BGB), sodass die Vermutung auch dort gilt.
Rz. 250
Demnach wird – widerleglich – vermutet, dass dem Auftraggeber nach Abzug der ersparten Aufwendungen sowie des anderweitigen Verdienstes noch 5 % der Vergütung verbleiben, die auf die nicht erbrachten Leistungen entfällt.
Rz. 251
Beruft sich der Auftragnehmer auf diese Vermutung, vereinfacht das seine Abrechnung und seine Darlegungen ganz erheblich. Er kann sich jeglichen Vortrags zu den ersparten Aufwendungen und zum anderweitigen Erwerb enthalten und kann sich darauf beschränken, 5 % des auf die nicht erbrachten Leistungen entfallenden Teils der vertraglichen Vergütung zu errechnen.
Rz. 252
Die Vermutung kann zwar vom Auftraggeber widerlegt werden. Für die entsprechenden Sachverhalte ist er jedoch darlegungs- und beweisbelastet, was ihm im Regelfall schwerfallen wird.
c) Konkreter Vortrag
Rz. 253
In vielen Fällen wird die Abrechnung nach der gesetzlichen Vermutung jedoch für den Auftragnehmer ungünstig sein, da die Abzüge bei konkreter Berechnung weniger als 95 % der Vergütung ausmachen. Es kann sich dann lohnen, den höheren Ermittlungs- und Darlegungsaufwand auf sich zu nehmen, um die Vermutung zu widerlegen und konkret zu den Abzügen vorzutragen.
aa) Ersparte Aufwendungen
Rz. 254
Nach den gleichen Grundsätzen, nach denen der Auftragnehmer die erbrachten von den nicht erbrachten Leistungen abzugrenzen hat, muss er auch die ersparten Aufwendungen ermitteln....