Dr. Christoph Lichtenberg
Rz. 120
Voraussetzung ist also zunächst einmal das Unterlassen einer Gläubigerobliegenheit; es kommen dazu alle Handlungen des Auftraggebers in Frage, die nicht zu den Hauptpflichten des Auftraggebers gehören und die erforderlich sind, damit der Auftragnehmer mit seiner Leistung beginnen und diese durchführen kann. Dabei hat der Auftraggeber für einen von ihm eingesetzten Dritten einzustehen; § 278 BGB ist also anwendbar.
Rz. 121
Weiterhin muss der Auftraggeber aufgrund dieses Unterlassens in Annahmeverzug geraten, § 649 Abs. 1 BGB. Dazu muss der Auftragnehmer leistungsbereit sein und seine Leistungen tatsächlich (§ 294 BGB) oder wörtlich (§ 295 BGB) anbieten. Für das tatsächliche Angebot muss der Auftragnehmer zur rechten Zeit versuchen, die Bauleistung vertragsgerecht zu erbringen. Das wörtliche Angebot liegt auch in der Aufforderung des Auftragnehmers an den Auftraggeber, die Mitwirkungshandlung zu erbringen. Das Angebot ist nach der Rechtsprechung auch dann erforderlich, wenn der Auftraggeber die Annahme der Leistung bereits verweigert hat. Also muss der Auftragnehmer seine Leistungen zumindest wörtlich anbieten, auch wenn z.B. der Auftraggeber ihm bereits mitgeteilt hat, dass die Baugenehmigung noch nicht erteilt ist.
Rz. 122
Aus dem Erfordernis, den Annahmeverzug herbeizuführen, hat die Rechtsprechung entwickelt, dass der Auftragnehmer grundsätzlich auch im Hinblick auf den Anspruch aus § 642 BGB seine "Behinderung" anzeigen muss. Der Zweck des wörtlichen Angebots, den Auftraggeber zu informieren und zu warnen, kann nur auf diese Weise erreicht werden. Der Auftraggeber muss wissen, dass bei Unterlassen der Mitwirkungshandlung der Auftragnehmer nicht in der Lage ist, seine Leistungen ordnungsgemäß zu erbringen. Und er muss erkennen können, welche Handlung er erbringen muss, um den Annahmeverzug zu beseitigen. Im Ergebnis ist also eine Behinderungsanzeige entsprechend der in § 6 Abs. 1 VOB/B verlangten Anspruchsvoraussetzung. Es gelten allerdings auch ähnliche Erleichterungen wie bei § 6 Abs. 1 S. 2 VOB/B. Das heißt vor allen Dingen, dass bei Offenkundigkeit des Fehlens einer Mitwirkungshandlung das Angebot auch konkludent erfolgen kann.
Rz. 123
Gem. § 296 BGB kann das Angebot entfallen, wenn für die Mitwirkungshandlung des Auftraggebers eine Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt oder bestimmbar ist. Gerade für den Beginn der Leistungen wird dies häufig der Fall sein. Aber auch vertraglich vereinbarte Planvorlaufzeiten oder aus einem Bauzeitenplan ersichtliche Mitwirkungshandlungen können von Bedeutung sein.
Rz. 124
§ 6 Abs. 6 S. 2 VOB/B greift diese Rechtsprechung mittlerweile auf und bestimmt, dass der Anspruch des Auftragnehmers aus § 642 BGB unberührt bleibt, sofern die Behinderungsanzeige gem. § 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B vorliegt oder diese wegen Offenkundigkeit entsprechend § 6 Abs. 1 S. 2 VOB/B entfallen kann.
Rz. 125
Der Anspruch aus § 642 Abs. 1 BGB ist verschuldensunabhängig. Darauf, ob der Auftraggeber oder der Vorunternehmer für die Verzögerung verantwortlich sind, kommt es also nicht an.