Rz. 254

Nach den gleichen Grundsätzen, nach denen der Auftragnehmer die erbrachten von den nicht erbrachten Leistungen abzugrenzen hat, muss er auch die ersparten Aufwendungen ermitteln. Auch hier verbieten sich also Schätzungen oder der Rückgriff auf übliche Sätze; die Ermittlung muss sich vielmehr auf das konkrete Bauvorhaben zu beziehen.[309]

 

Rz. 255

Dabei ist für die Frage, welche Aufwendungen kündigungsbedingt entfallen sind, die Kalkulation entscheidend. Das macht es – nach den Umständen des Einzelfalls – nötig, die nicht erbrachten Leistungen in ihre kalkulativen Bestandteile aufzulösen. Ausschlaggebend für die Frage, welche Kosten darauf entfallen, sind jedoch nach der Auffassung des BGH die tatsächlich ersparten Kosten.[310] Eventuelle kalkulative Unter- oder Überdeckungen wirken sich bei der Ermittlung also aus; das gilt zugunsten oder zu Ungunsten des Auftragnehmers. Im Fall einer massiven Unterdeckung (z.B. bei in der Kalkulation vergessenen Leistungen) kann das dazu führen, dass nicht nur kein Vergütungsanspruch für nicht erbrachte Leistungen entsteht, sondern sogar der Vergütungsanteil für die erbrachten Leistungen aufgezehrt wird.[311] Die Grenze liegt allerdings bei Null; ein Erstattungsanspruch des Auftraggebers kann sich nicht ergeben.[312]

 

Rz. 256

Für die wichtigsten Kostenbestandteile gilt Folgendes:[313]

Personalkosten sind nur erspart, sofern sie tatsächlich nicht angefallen sind. Das kommt in Frage, wenn der Auftragnehmer z.B. geplante Einstellungen nicht mehr vornimmt oder freie Mitarbeiter nicht beschäftigt. Eine Verpflichtung zur Kündigung von Mitarbeitern besteht hingegen nicht.
Nachunternehmerkosten sind auch nur insoweit erspart, wie sie nicht mehr gezahlt werden müssen. Ist der Nachunternehmer also noch nicht beauftragt oder erklärt er sich bereit, den Auftrag zu stornieren, sind die Kosten erspart. Allerdings besteht hier für den Auftragnehmer – anders als bei eigenem Personal – die Verpflichtung, zur Kostenersparnis den Nachunternehmervertrag frei zu kündigen.
Stoff- und Materialkosten sind im Regelfall erspart, es sei denn, sie sind schon verbindlich geordert.
Soweit Gerätekosten unabhängig von der Nutzung anfallen, sind sie nicht erspart. Kosten für den Betrieb der Geräte sind erspart.
Allgemeine Geschäftskosten sind regelmäßig nicht erspart.
Der Gewinn ist nie erspart.
Ein Wagnis-Zuschlag (soweit gesondert kalkuliert) kann erspart sein, soweit infolge der Kündigung das damit abgedeckte Risiko entfällt.
Die Baustellenbezogenen Gemeinkosten sind differenziert zu betrachten.[314] Kostenbestandteile, die zeitabhängig berücksichtigt werden und deren Kosten sich wegen der verringerten Zeit reduzieren lassen, sind erspart. Für Personalkosten (Bauleiter, Polier) gilt das oben Gesagte. Einmalig kalkulierte Kosten (Auf- und Abbau etc.) sind nicht erspart.
[309] BGH v. 21.12.1995 – VII ZR 198/94 – BauR 1996, 382.
[310] BGH v. 8.7.1999 – VII ZR 237/98 – BauR 1999, 1294; BGH v. 22.9.2005 – VII ZR 63/04 – BauR 2005, 1916; vgl. auch OLG Hamm BauR 2006, 1310; sehr umstritten, a.A. z.B. Kapellmann/Messerschmidt/Lederer, § 8 VOB/B Rn 34 ff.; siehe auch Drittler, BauR 2006, 1215; Markus, NZBau 2005, 417.
[311] Lichtenberg, BauR 2014, 615; zum Meinungsstand Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, § 648 Rn 89.
[312] Für die Einzelheiten siehe Lichtenberg, BauR 2014, 615.
[313] Zu den Einzelheiten siehe Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, § 649 Rn 106 ff.; Kapellmann/Messerschmidt/Lederer, § 8 VOB/B Rn 36 ff.
[314] Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, § 649 Rn 101 ff.

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