Dr. Christoph Lichtenberg
Rz. 126
Der Entschädigungsanspruch aus § 642 Abs. 2 BGB ist weder Vergütung noch Schadensersatz. Vielmehr geht es darum, dass der Auftragnehmer einen angemessen Ausgleich dafür erhält, dass er seine Arbeitskräfte und -mittel bereithält, ohne dafür Werklohn erwirtschaften zu können.
Rz. 127
Die Grundlagen für die Höhe des Entschädigungsanspruchs sind in § 642 Abs. 2 BGB geregelt. Demnach sind die Dauer des Verzugs, die Höhe der vereinbarten Vergütung sowie die ersparten Aufwendungen bzw. anderweitiger Verdienst zu berücksichtigen.
Rz. 128
Ursprünglich wurde vertreten, die Dauer, um die es dabei geht, sei nicht die Dauer des Annahmeverzugs, sondern der Zeitraum, den der Auftragnehmer aufgrund der Verschiebung zusätzlich aufwenden muss. Diese Auffassung ist mittlerweile durch die Rechtsprechung des BGH überholt. Der BGH hält hier eindeutig fest, dass der Entschädigungsanspruch nicht die Mehrkosten umfasst, die zwar Folge des Annahmeverzugs des Bestellers wegen der unterlassenen Mitwirkungsobliegenheit sind, aber erst nach dessen Beendigung anfallen, nämlich bei Ausführung der verschobenen Leistung.
Rz. 129
Aus der Anknüpfung an die vereinbarte Vergütung wurde früher geschlossen, dass die Grundlage für die Ermittlung des Entschädigungsanspruchs die kalkulierten Preise seien, nicht die tatsächlichen Aufwendungen; es könnten demnach also die Grundsätze für die Preisermittlung nach § 2 Abs. 5 VOB/B herangezogen werden. Nach der vormals wohl herrschenden Meinung sollten die Zuschläge für Wagnis und Gewinn nicht enthalten sein, was aber durchaus streitig beurteilt wird. Streitig war auch, ob ggf. doch die tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen sind, soweit diese höher sind als die kalkulativ ermittelten. Nicht abschließend geklärt ist auch die Frage, ob der Auftragnehmer Ersatz für Beschleunigungskosten erhält, die er zur Verringerung des Annahmeverzugs aufgewandt hat.
Rz. 130
Nach der grundlegenden Entscheidung des BGH hat der Tatrichter eine Abwägungsentscheidung zu treffen, bei welcher einerseits die Dauer des Verzugs und die Höhe der vereinbarten Vergütung zu berücksichtigen sind, andererseits dasjenige, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. Ausgangspunkt für die Abwägung ist die Vorgabe, dass sich die angemessene Entschädigung an den auf die unproduktiv bereit gehaltenen Produktionsmittel entfallenden Vergütungsanteilen einschließlich der Anteile für allgemeine Geschäftskosten sowie für Wagnis und Gewinn zu orientieren hat. Dabei kann dem Wortlaut des § 642 BGB nicht entnommen werden, dass Maßstab für die Bemessung der Entschädigung die tatsächlichen Kosten für die Bereitstellung von Produktionsmitteln sein sollen. Vielmehr stellt die Vorschrift auf die vereinbarte Vergütung für die unproduktiv bereit gehaltenen Produktionsmittel ab. Danach ist auf die kalkulierten Aufwendungen des Unternehmers, die Grundlage der vereinbarten Vergütung wurden, abzustellen.
Rz. 131
Der Auftragnehmer muss sich auf der anderen Seite das anrechnen lassen, was er an Aufwendungen einsparen konnte; ob es hierbei auf die tatsächlichen Kosten ankommt oder die kalkulierten, ist streitig. Nach m.E. überzeugender Auffassung spielen ersparte Aufwendungen allerdings im Ergebnis keine große Rolle. Denn wenn der Unternehmer eine angemessene Entschädigung für die nutzlose Vorhaltung seiner Produktionsmittel erhält und man diese daran bemisst, welche Kosten ihm für die Aufrechterhaltung seiner Leistungsbereitschaft entstanden sind, dann sind "ersparte Aufwendungen" von vorneherein bedeutungslos; sie sind nicht Bestandteil der dem Unternehmer für die Vorhaltung entstandenen Kosten und damit bei der Bemessung der Entschädigung nicht zu berücksichtigen.
Rz. 132
Der Streit darüber, welcher Rechtsnatur der Entschädigungsanspruch ist, bleibt ohne praktische Auswirkungen, da jedenfalls Einigkeit darüber besteht, dass die Entschädigung steuerbare Leistung und damit bei Umsatz und Umsatzsteuer zur berücksichtigen ist.