Dr. Christoph Lichtenberg
Rz. 101
Sofern die Parteien – wie es § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B bzw. im BGB-Vertrag das Konsensualprinzip und § 650b Abs. 1, 2 BGB vorsehen – eine Vereinbarung über einen Nachtrag getroffen haben, folgt daraus vor allen Dingen:
aa) Bestimmungen zu Leistung und Vergütung; Abgeltung
Rz. 102
Sofern die Vereinbarung (was der Regelfall ist) detaillierte Angaben zu den geänderten oder zusätzlichen Leistungen enthalten, bestimmen diese den neuen Leistungsinhalt. Das eröffnet u.U. die Möglichkeit zu einem "Nachtrag zum Nachtrag", sofern sich auch die geänderte Leistungsbestimmung als unzureichend erweist.
Rz. 103
Die Nachtragsvergütung richtet sich nach der Vereinbarung. Die gilt auch dann, wenn diese nicht den Preisermittlungsgrundlagen oder dem üblichen Preis entspricht.
Rz. 104
Sofern die Nachtragsvereinbarung keinen anderslautenden Vorbehalt enthält, ist davon auszugehen, dass mit der vereinbarten Vergütung sämtliche Folgen der beschriebenen Leistungsänderungen abgegolten sind. Das betrifft vor allen Dingen auch eventuelle zeitabhängige Kosten oder Erschwernisse anderer Leistungen, die aus der Leistungsänderung resultieren. Sofern der Auftragnehmer also bei Abschluss der Vereinbarung deren Auswirkungen auf die Bauzeit und andere Leistungen noch nicht beurteilen kann, muss er zwingend einen entsprechenden Vorbehalt mit aufnehmen.
bb) Vereinbarung über ohnehin geschuldete Leistungen
Rz. 105
Haben die Parteien allerdings eine Nachtragsvereinbarung über eine Leistung getroffen, welche der Auftragnehmer schon nach dem Vertrag geschuldet hätte, führt die Auslegung der Vereinbarung im Regelfall dazu, dass diese keinen zusätzlichen Vergütungsanspruch begründet. Das gilt ebenfalls, wenn es sich um Leistungen handelt, die der Auftragnehmer zur Mängelbeseitigung erbringen musste.
Rz. 106
Eine Anfechtung der Vereinbarung ist in diesem Fall nicht nötig, denn die Vereinbarung beinhaltet im Regelfall nicht die Erklärung des Auftraggebers, dass er die vereinbarte Vergütung unabhängig von der Frage zahlen will, ob der Auftragnehmer die Leistung ohnehin erbringen muss oder nicht.
Rz. 107
Dies ist nur dann anders zu beurteilen, wenn gerade die Frage der Vergütungspflicht streitig war und sich die Parteien darüber einigen wollten – die Vereinbarung stellt dann einen Vergleich dar – oder wenn der Auftraggeber ausdrücklich eine Pflicht zur gesonderten Vergütung selbstständig anerkennen wollte. Hat der Auftragnehmer den Auftraggeber zu einer solchen Vereinbarung unter widerrechtlicher Drohung bewegt (z.B. mit einer unberechtigten Arbeitseinstellung), können die Voraussetzungen für eine Anfechtung vorliegen.