Rz. 34

Bei der Gestaltung von letztwilligen Verfügungen besteht die Besonderheit, dass der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verfügung von Todes wegen meistens nicht feststeht. In der Regel kennt der Gestalter den Zeitpunkt des Erbfalls nicht. Er muss daher bei der Errichtung der letztwilligen Verfügung einerseits die aktuelle Sach- und Rechtslage beachten, andererseits aber auch die künftige Entwicklung. Auf gewisse Art und Weise muss der Berater daher in seiner letztwilligen Verfügung Vorkehrung treffen für derzeit nicht bestehende aber künftig möglicherweise eintretende Umstände. Es ist daher bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung immer auch eine künftige Sach- und Rechtslage in die Gestaltungsüberlegungen mit einzubeziehen. Bezüglich der Sachlage können Veränderungen bei den bedachten Personen eintreten oder aber auch beim Vermögen selbst. Bezüglich der Rechtslage können Gesetzesänderungen eintreten oder es ändert sich die Rechtsprechung.

 

Rz. 35

 

Beispiel: Änderungen bei den bedachten Personen

Die Ehepartner setzen sich in einem gemeinsamen Testament gegenseitig zu Alleinerben ein und die gemeinsamen Abkömmlinge zu Schlusserben. Erfolgt keine gesonderte Regelung über die Frage der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen, ist nach § 2270 Abs. 2 BGB in diesem Fall von einer bindenden Schlusserbeneinsetzung der Kinder auszugehen. Gerät dann nach dem Ableben eines Ehepartners eines der Kinder in Vermögensfall, besteht die Gefahr eines Gläubigerzugriffs auf den Erbteil des Kindes im Schlusserbfall. Damit der überlebende auf ein solches künftiges Ereignis reagieren kann, ist es daher notwendig, dass das Testament für diesen Fall eine Abänderungsmöglichkeit vorsieht, bspw. dergestalt, dass der überlebende Ehegatte für den überschuldeten Schlusserben einen Nacherben und einen Testamentsvollstrecker bestimmen kann.

 

Rz. 36

 

Beispiel: Änderungen im Vermögensbestand

Im Bereich des Vermögens treten häufig Veränderungen dergestalt auf, dass sich die Zusammensetzung des Nachlasses verändert. Verfügt der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung seines Testaments über ein Kapitalvermögen von 500.000 EUR und setzt er deshalb ein Vermächtnis von 250.000 EUR zugunsten eines Bedachten aus, dann stellt sich die Frage, was passiert, wenn sich der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls nur noch auf 100.000 EUR beläuft. Letztlich besteht dann die Gefahr einer Nachlassinsolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit. Damit dies nicht passiert, sollte daher eine Auffangklausel im Testament vorsehen, dass der vermächtnisweise ausgesetzte Geldbetrag der Höhe nach an einen bestimmten Nachlasswert gekoppelt wird, bspw. 50 % des im Nachlass vorhandenen Kapitalvermögens oder auf das zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandene Vermögen beschränkt wird.

 

Rz. 37

Grafik: Systematik der Testamentsgestaltung

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge