Rz. 207
Das Kausalitätserfordernis entfällt, wenn der Versicherungsnehmer "die Obliegenheit arglistig verletzt hat" (§ 28 Abs. 3 S. 2 VVG). Vorsatz bedeutet im Versicherungsrecht dolus directus und dolus eventualis. Arglist liegt nur dann vor, wenn der Versicherungsnehmer mit direktem Vorsatz handelt.
Nicht jede vorsätzlich falsche Angabe bedeutet eine Arglist des Versicherungsnehmers. Der Versicherungsnehmer muss vielmehr einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgen. Arglistig handelt der Versicherungsnehmer nur dann, wenn er in der Absicht handelt, das Regulierungsverhalten des Versicherers zu beeinflussen.
Es ist nicht erforderlich, dass ein rechtswidriger Vermögensvorteil angestrebt wird. Arglist liegt daher auch und vor allem dann vor, wenn der Versicherungsnehmer einen gefälschten Schadenbeleg beibringt, selbst wenn dieser Beleg den tatsächlichen Wert des zu ersetzenden Gegenstandes wiedergibt. Ebenso ist von Arglist auszugehen, wenn der Versicherungsnehmer einen nachträglich gefertigten – rückdatierten – Kaufvertrag vorlegt.
Rz. 208
Der Versicherer muss Arglist beweisen. Objektiv falsche Angaben sind jedoch ein Indiz für ein vorsätzliches und arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers; dieser muss daher gegebenenfalls die gegen ihn sprechende Vermutung entkräften.
Bei Arglist besteht auch keine Nachfrageobliegenheit des Versicherers. Leistungsfreiheit besteht auch bei dem Versuch einer arglistigen Täuschung. Arglist liegt auch dann vor, wenn die Versicherungsnehmerin eine von ihrem Ehemann unrichtig ausgefüllte Schadenanzeige "blind" unterschreibt. Insoweit werden ihr die arglistig falschen Angaben des Ehemannes als Wissensvertreter zugerechnet.
Das Verschweigen eines Nachtrunks ist eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach E.1.1.3 AKB 2015. Wenn in der Schadenanzeige die Frage nach einer Blutprobe wahrheitswidrig verneint wird, führt dies zur Leistungsfreiheit des Versicherers. Dies gilt auch dann, wenn nicht der Versicherungsnehmer selbst die falschen Angaben in der Schadenanzeige macht, sondern dessen Sohn. Dieser ist Wissenserklärungsvertreter des Versicherungsnehmers.
Keine Arglist liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer aus Verärgerung über die Dauer der Regulierung trotz Anfrage einen Zeugen nicht benennt.
Falsche Angaben zum Kaufpreis eines entwendeten Fahrzeuges (21.000,00 EUR statt 17.000,00 EUR) begründen den Vorwurf der Arglist. Eine vorgerichtliche Korrektur dieser falschen Angabe ändert nichts an der Leistungsfreiheit des Versicherers. Diese würde nur dann entfallen, wenn der Versicherungsnehmer seine Angaben freiwillig und rückhaltlos korrigiert, bevor der Versicherer die Unrichtigkeit der falschen Angaben entdeckt hat. Im entschiedenen Fall hatte der Versicherungsnehmer seine falschen Angaben erst korrigiert, nachdem durch ein Sachverständigengutachten ein Vorschaden bekannt geworden war, der Zweifel am ursprünglich genannten Kaufpreis von 21.000,00 EUR begründete.
In Fällen der Arglist bedarf es keiner Belehrung des Versicherungsnehmers nach § 28 Abs. 4 VVG.
Die Vorlage einer fingierten Rechnung über eine nicht durchgeführte Reparatur ist eine arglistige Obliegenheitsverletzung mit der Folge der Leistungsfreiheit des Versicherers.