Rz. 283
Nach § 83 VVG muss der Versicherer Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer gem. § 82 VVG zur Abwendung und Minderung des Schadens macht, auch dann ersetzen, wenn diese Maßnahmen erfolglos blieben. Entscheidend ist allein, ob der Versicherungsnehmer diese "Rettungskosten" den Umständen nach für geboten halten durfte (§ 83 Abs. 1 S. 1 VVG).
1. Schadenminderungspflicht (§ 82 VVG)
Rz. 284
Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen (§ 82 Abs. 1 VVG); soweit für ihn zumutbar, hat er Weisungen des Versicherers einzuholen und zu beobachten (§ 82 Abs. 2 VVG). Die Obliegenheit zur Schadenabwendung oder Schadenminderung beginnt "bei Eintritt des Versicherungsfalles" und bleibt solange bestehen, wie der Schaden abgewendet oder gemindert werden kann.
Es handelt sich in der Regelung von § 82 VVG um eine gesetzliche Rettungsobliegenheit, deren Rechtsfolgen den Sanktionen einer vertraglichen Obliegenheit entsprechen.
a) Vorsatz
Rz. 285
Verletzt der Versicherungsnehmer vorsätzlich seine Rettungsobliegenheit, besteht Leistungsfreiheit des Versicherers (§ 82 Abs. 3 S. 1 VVG). Diese Leistungsfreiheit besteht jedoch nur dann, wenn die Verletzung der Rettungsobliegenheit sich kausal auf den Versicherungsfall oder seine Feststellung ausgewirkt hat (§ 82 Abs. 4 S. 1 VVG).
b) Grobe Fahrlässigkeit
Rz. 286
Verletzt der Versicherungsnehmer seine Rettungsobliegenheit grob fahrlässig, ist der Versicherer berechtigt "seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen". Grobe Fahrlässigkeit wird vermutet: "Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit" (§ 82 Abs. 3 S. 2 VVG).
c) Einfache Fahrlässigkeit
Rz. 287
Liegt bei der Verletzung der Rettungsobliegenheit einfache Fahrlässigkeit vor, so ist diese ebenso folgenlos wie eine schuldlose Verletzung der Rettungsobliegenheit.
2. Aufwendungsersatz (§ 83 VVG)
Rz. 288
Wenn der Versicherungsnehmer Aufwendungen nach Weisungen des Versicherers macht, sind diese auch dann zu ersetzen, wenn sie die Versicherungssumme übersteigen (§ 83 Abs. 3 VVG).
Entscheidend ist nicht, ob die Maßnahme objektiv geboten war. § 83 Abs. 1 VVG billigt Aufwendungsersatz zu, soweit der Versicherungsnehmer diese Aufwendungen "den Umständen nach für geboten halten durfte". Ein Irrtum über die Tauglichkeit der Rettungsmaßnahme schadet grundsätzlich nicht, es sei denn, dass dieser Irrtum auf grober Fahrlässigkeit beruht.
Rz. 289
Beispiel
Ein Autofahrer weicht einem Reh aus, gerät ins Schleudern und prallt gegen einen Baum.
Rz. 290
In der Kraftfahrtversicherung ist zwar nur der "Zusammenstoß mit Haarwild" versichert, die durch das Ausweichmanöver entstandenen Schäden sind jedoch dem Versicherungsnehmer als Rettungskosten gem. §§ 82, 83 VVG zu ersetzen.
Bei einem Ausweichmanöver vor kleinerem Wild (Hase, Fuchs, Dachs, Marder) sind die durch ein Ausweichmanöver entstehenden Schäden nicht als Rettungskosten zu ersetzen, da derartige kleine Tiere keinen Unfall, sondern allenfalls eine leichte Beschädigung der Vorderfront des Fahrzeuges auslösen können. Ob der Versicherungsnehmer gleichwohl im Einzelfall jedes Rettungsmanöver "den Umstanden nach für geboten halten durfte", ist Tatfrage.