Rz. 14
Durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren verliert der Schuldner das Eigentum an seiner Immobilie. Anstelle des Grundstücks tritt der Erlös, aus dem die Gläubiger entsprechend ihrer Rangfolge befriedigt werden, sofern genügend Erlös vorhanden ist. Im Hinblick auf die gravierenden Konsequenzen für den Schuldner sowohl in finanzieller als auch in persönlicher Sicht sollte die Zwangsversteigerung in der Kette der Vollstreckungsmöglichkeiten immer das letzte Mittel sein. Mit der Zwangsversteigerung des schuldnerischen Grundstücks wird auf der einen Seite der titulierte Anspruch des Gläubigers zwangsweise mithilfe staatlicher Organe durchgesetzt. Auf der anderen Seite jedoch erfolgt ein massiver Eingriff in grundgesetzlich geschützte Rechte des Schuldners. Der Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Eigentum darf nicht über das notwendige Maß hinausgehen, das Versteigerungsgericht muss jederzeit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Übermaßverbot beachten.
I. Gleichheitsgrundsatz
Rz. 15
Beispiel
Im Rahmen einer Teilungsversteigerung war im Zwangsversteigerungstermin nur der Ehemann anwesend. Nach den Versteigerungsbedingungen blieb eine Grundschuld von ca. 34.000,00 DM (valutiert mit ca. 20.000,00 DM) bestehen. Der Ehemann bot für das Grundstück einen Betrag von 2.000,00 DM. Nach Abschluss der Bietstunde verlangte er die sofortige Zuschlagserteilung auf seinen Namen, die dann auch erfolgte.
Rz. 16
Das BVerfG hob den Zuschlag wegen Verletzung des Grundrechts der antragstellenden Ehefrau aus Art. 3 GG wieder auf. Der Zuschlag für ein Objekt im Werte von 144.000,00 DM durfte nicht für ein Bargebot von 2.000,00 DM unter Übernahme einer Belastung von nur 34.000,00 DM erteilt werden. Hier sei die Unerfahrenheit der Ehefrau ausgenutzt worden. Das Versteigerungsgericht hätte den Zuschlag nicht sofort erteilen dürfen, vielmehr wäre ein Hinweis gem. § 139 ZPO erforderlich gewesen (die 5/10-Grenze nach § 85a ZVG ist erst mit Wirkung v. 1.7.1979 eingeführt worden).
Rz. 17
Beispiel
Die Berechtigte des Rechts III/2 ist bestrangig betreibende Gläubigerin. Die Grundschuld III/I bleibt nach den Versteigerungsbedingungen bestehen. Im Versteigerungstermin lässt sich die Gläubigerin durch ihren Sohn vertreten, der 10.250,00 DM bietet.
Der nachrangige Gläubiger des Rechts III/3 überbietet dies und bleibt mit 13.000,00 DM Meistbietender. Der Sohn und der Gläubiger des Rechts III/3 beantragen sofortige Zuschlagserteilung, der dann auch dem Gläubiger des Rechts III/3 erteilt wird.
Rz. 18
Das BVerfG hob den Zuschlagsbeschluss wieder auf, da sich in der Verhandlung über den Zuschlag die Vermutung aufdrängen musste, dass einer der Beteiligten die für ihn nachteiligen Folgen der Zuschlagserteilung, und zwar das Erlöschen des dinglichen Rechts des bestbetreibenden Gläubigers bei einem Meistgebot des nachrangigen Gläubigers, nicht erkannt hatte. Das Versteigerungsgericht hätte hier auf diese Rechtsfolgen hinweisen müssen.
Rz. 19
Mit dieser Entscheidung wurde erstmals nicht der schuldnerische Eigentümer, sondern der bestrangig betreibende Gläubiger geschützt. Ob allerdings das Verfahren tatsächlich unfair zuungunsten des betreibenden Gläubigers durchgeführt worden war, dürfte zweifelhaft sein, denn die Belehrung über die Versteigerungsbedingungen erfolgte bereits vor der Gebotsaufforderung. Wen, wann und zu welchem Zeitpunkt das Versteigerungsgericht durch konkrete Hinweise belehren muss, dürfte immer eine Einzelfallentscheidung sein.
II. Eigentumsgarantie
Rz. 20
Nach Einfügung des § 85a ZVG mit Wirkung v. 1.7.1979 konnten die bis dahin ergangenen Entscheidungen des BVerfG zur Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG weitgehend kompensiert werden. Der Zuschlag muss von Amts wegen versagt werden, wenn das abgegebene bare Meistgebot unter Hinzurechnung der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte 50 % des Verkehrswertes nicht erreicht. Dennoch sind die vom BVerfG aufgestellten Grundsätze zu Art. 14 GG nach wie vor beachtlich, da die Wertgrenze von 50 % nur für den ersten Versteigerungstermin Gültigkeit hat.
Rz. 21
Beispiel
Bei einer Zwangsversteigerung wurde der Verkehrswert des Grundstücks auf 95.000,00 DM festgesetzt. Insgesamt belief sich das Meistgebot auf 10.500,00 DM. Der bettlägerig erkrankte Schuldner war im Versteigerungstermin nicht erschienen.
Rz. 22
Das BVerfG hat den Zuschlag mit der Begründung aufgehoben, das Versteigerungsgericht hätte den Zuschlag nicht sofort erteilen dürfen, sondern erst in einem besonderen Verkündungstermin, § 87 ZVG. Dem Eigentümer hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, mit einem Vollstreckungsschutzantrag, § 765a ZPO, den Zuschlag evtl. noch zu verhindern.
Rz. 23