I. Rechtsnatur einer Verordnung auf EU-Ebene
Rz. 44
Was also lag näher, als im Rahmen einer Neuordnung des Datenschutzrechts auf eine andere, weitreichendere Form der im AEUV vorgesehenen Rechtsakte des Unionsrechts, nämlich die Verordnung gem. Art. 288 Abs. 2 AEUV, zurückzugreifen. Verordnungen im vorgenannten Sinne kommt allgemeine Geltung zu; sie sind in allen ihren Teilen der EU verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Anders als die Richtlinie, setzt die Verordnung damit unmittelbar geltendes Recht, das ohne mitgliedstaatliche Umsetzungsakte Rechte und Pflichten für einen bestimmten Personenkreis begründet. Mit Inkrafttreten der neuen Datenschutzgrundverordnung wird damit – jedenfalls auf den ersten Blick – tatsächlich ein großer Schritt hin zu einem einheitlichen und kohärentem Datenschutz(rechts)niveau in der EU getan. Leider, dies wird im weiteren noch darzustellen sein, liegen trotz dem Durchbruch in Sachen "unmittelbarer" Rechtsdurchsetzung faktisch aber noch viele weitere Schritte auf dem Weg zur Vollharmonisierung des Datenschutzrechts vor uns. Denn, auch die DSGVO erweist sich bei näherem Hinsehen als "großer Kompromiss" mit vielen – dem Regelungsgedanken des Art. 288 Abs. 2 AEUV eigentlich zuwiderlaufenden – "Öffnungsklauseln" zugunsten nationalstaatlicher Alleingänge und Bereichsausnahmen. Einige davon mögen sinnvoll erscheinen, andere hingegen belegen, dass die nach außen gefeierte Einigkeit der an den Trilog-Verhandlungen beteiligten Parteien wohl mehr Schein als Sein gewesen ist. So können beispielsweise die in Art. 12 bis 22 DSGVO normierten Informationspflichten der verantwortlichen Stelle und damit korrespondierende Betroffenenrechte durch Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten "im Wege von Gesetzgebungsmaßnahmen beschränkt werden" (Art. 23 Abs. 1 DSGVO). Gleiches gilt für die in Art. 5 DSGVO normierten und über die bisherigen Anforderungen in der Datenschutzrichtlinie hinausgehenden "Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten" und die in Art. 6 Abs. 1 DSGVO normierten Anforderungen an die Datenverarbeitung mit und ohne Einwilligung des Betroffenen. Hier und in zahlreichen anderen – zentralen – Regelungsbereichen belässt die Verordnung den Mitgliedstaaten z.T. weitreichende Handlungsspielräume, die in manchen Konstellationen gar über diejenigen der Datenschutzrichtlinie hinausgehen.
II. Zielsetzungen der DSGVO
Rz. 45
In ihrer Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zum "Schutz der Privatsphäre in einer vernetzten Welt" hebt die EU-Kommission hervor, dass sich die "Geschwindigkeit des technologischen Wandels und der Globalisierung […] die Art und Weise, in der die ständig anwachsende Menge personenbezogener Daten erfasst, abgerufen, verwendet und übermittelt wird, zutiefst verändert" habe. Insbesondere die seit Inkrafttreten der Datenschutzrichtlinie zu verzeichnenden Neuerungen im Bereich der Informationstechnologie hatten, so die Kommission – dazu geführt, dass immer größere Datenmengen in Europa verarbeitet wurden. Diese rasche Entwicklung war zum Zeitpunkt des Erlasses der Datenschutzrichtlinie noch nicht absehbar, weswegen selbige, die sich aus der zunehmend digitalisierten Datenverarbeitung ergebende Problemlage nicht abschließend und vollumfänglich zu regeln im Stande war. Nach Ansicht der EU-Kommission ist es gleichwohl erforderlich, dass die wirksame Kontrolle persönlicher Informationen auch in der neuen digitalen Umgebung sichergestellt wird. Nachdem insbesondere Onlinedienstleister zwar unionsweit agieren, oftmals jedoch lediglich in einem Mitgliedsstaat über eine entsprechende Niederlassung verfügen, gestaltete sich die Rechtsdurchsetzung der betroffenen Rechte als problematisch. Die EU-Kommission sah in diesem Zusammenhang insbesondere die "Zersplitterung des Datenschutzrechtes" durch zum Teil inkohärente und unterschiedliche nationale Umsetzungsmaßnahmen der Datenschutzrichtlinie als einen Grund dafür an, dass insbesondere bei Verbrauchern "fehlendes Vertrauen" insbesondere im Bereich "neuer Medien und digitaler Kommunikation" festzustellen sei. Um die damit einhergehenden Hindernisse in der Fortentwicklung der digitalen Wirtschaft zu beseitigen und "auf diese Weise Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit der EU zu steigern", sah die EU-Kommission die Etablierung "kohärenter Regeln den freien Datenverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten" als unverzichtbar an. "Die Modernisierung der Datenschutzvorschriften der EU im Sinne...