a) Vertrauensverhältnis – Vollmacht oder Betreuungsverfügung?
Rz. 28
Vorsorgevollmachten werden i.d.R. als Generalvollmachten erteilt (siehe Rdn 14 und Rdn 84). Von der "normalen" Generalvollmacht unterscheidet sich die Vorsorgevollmacht dann in erster Linie dadurch, dass sie im Hinblick auf eine besondere, oft noch in der Zukunft liegende Situation erteilt wird, auch und insbesondere für den Fall der eigenen rechtlichen Handlungsunfähigkeit (Geschäftsunfähigkeit, Einwilligungsunfähigkeit). Es liegt auf der Hand, dass eine solche Vollmachtserteilung besonders großes Vertrauen in die Person des Bevollmächtigten voraussetzt, zumal die Kontrolle des Bevollmächtigten im Zeitpunkt der Ausübung der Vollmacht anders als bei sonstigen Vollmachten regelmäßig nicht mehr selbst ausgeübt werden kann (siehe zur Möglichkeit der Bevollmächtigung eines Kontrollbevollmächtigten § 5 Rdn 37 ff.). Daher beschränkt sich die Bevollmächtigung in den meisten Fällen auf den Partner bzw. die nächsten Angehörigen des Vollmachtgebers. Liegt kein entsprechendes Vertrauensverhältnis zu der ausgewählten Person vor, kann die Betreuungsverfügung eine gute Alternative zur Vorsorgevollmacht darstellen (siehe zur Betreuungsverfügung § 4 Rdn 25 ff.).
b) Bereitschaft, Qualifikation, Akzeptanz
Rz. 29
Der Bevollmächtigte muss bereit und in der Lage sein, für den Vollmachtgeber tätig zu werden. In den meisten Fällen kommen nahe Angehörige in Betracht, insbesondere der Partner, die Kinder und Geschwister/Nichten/Neffen und Freunde. Aber auch Personen aus der Nachbarschaft und dem weiteren sozialen Umfeld werden bevollmächtigt. Die Intensität der Bindung und des Vertrauens ist für den Berater ein sehr wichtiger Punkt, ferner das damit nicht immer im Gleichlauf stehende (Ab-)Sicherungsinteresse des Vollmachtgebers. Denn an beidem hat sich der Berater bei der Gestaltung der Vorsorgevollmacht zu orientieren.
Rz. 30
Der Berater darf sich nicht nur darauf konzentrieren, eine in möglichst allen Belangen (rechts-)sichere Vorsorgevollmacht zu gestalten. Er hat auch den Auftrag eine Vollmacht zu gestalten, die vom Vollmachtgeber und vom Bevollmächtigten und von denjenigen, denen die Vollmacht im Rechtsverkehr vorgelegt wird, verstanden wird, optimalerweise schon beim ersten – schnellen – Lesen. Milzer hat dazu in einem für den Gestalter mahnenden und auch wiederholt lesenswerten Beitrag den Begriff "adressatengerechte" Gestaltung geprägt. Die Bevollmächtigung des langjährigen Partners und/oder des einzigen Kindes wird zumeist weniger komplex zu gestalten sein als die Vorsorgevollmacht für einen Nachbarn oder einen Dienstleister (i.d.R. wegen des Rechtsdienstleistungsgesetzes ein Rechtsanwalt, siehe dazu Rdn 35 und § 13. Im ersten Fall werden die hier vorangestellten Grundmuster zu reduzieren sein, im zweiten Fall werden sie ggf. unter Zuhilfenahme der zahlreichen hier angebotenen Musterbausteine zu ergänzen sein. Die Bevollmächtigung mehrerer Personen ist naturgemäß komplex (siehe dazu z.B. Rdn 40 ff. und Rdn 211, 212).
Rz. 31
Der Berater sollte stets auch für die Vorsorgevollmacht einen Blick auf die voraussichtliche Erbfolge des Vollmachtgebers werfen; bei Bevollmächtigung des (unbeschränkten) Alleinerben wird die einfache Lösung im Vordergrund stehen. Bei mehreren Personen im familiären/sozialen Umfeld, die sich zudem ggf. später in einer Erbengemeinschaft wiederfinden können, sollte die Person des Bevollmächtigten idealerweise Akzeptanz im Umfeld finden, da andernfalls Probleme schon bei Verwendung der Vollmacht zu Lebzeiten des Vollmachtgebers oder spätestens nach dessen Ableben auftreten können bzw. vorprogrammiert sind. Unterschiedliche Qualifikationen bzw. Eignungen können den Vollmachtgeber veranlassen, bestimmte Bevollmächtigte für bestimmte Bereiche vorzusehen, auch die örtliche Nähe kann eine (entscheidende) Rolle spielen. Z.B. kann der Wunsch bestehen, dass sich ein Bevollmächtigter ausschließlich der Verwaltung des Vermögens oder bestimmter Vermögensgegenstände annimmt, während ein anderer Bevollmächtigter bzgl. des Vermögens für das "Tagesgeschäft" zuständig ist und sich der nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten wie Gesundheit und Aufenthalt annimmt. Bei derartiger Aufgabenteilung hat der Berater zu klären, ob die Aufteilung auch im Außenverhältnis erfolgen soll, was dann als Beschränkung der Vollmacht im Außenverhältnis besonders kenntlich gemacht werden sollte (siehe nachstehenden Musterbaustein Rdn 32; ggf. besteht sogar Anlass für getrennte/individuelle Urkunden), oder ob er den Bevollmächtigten entsprechende Weisungen besser im Innenverhältnis erteilt (siehe Rdn 173, vgl. dazu die Musterbausteine Rdn 43 (Nachrang des Ersatzbevollmächtigten), Rdn 130 (Rangfolge oder zumindest Abstimmung in Gesundheitsfragen, Behandlungsabbruch) und Rdn 161 (Rangfolge Totenfürsorge)).
Rz. 32
Muster 1.4: Baustein Grundmuster...