Rz. 190
Für einen verzögerten Start der Vollmacht bieten sich folgende "Lösungen" an, wobei die bedingte Vollmacht nur der Vollständigkeit halber genannt wird und für die Vorsorgevollmacht und für den Berater aus dem Angebot für den Vollmachtgeber zu streichen ist (Ausnahme: Besitz der Vollmachtsurkunde, siehe Rdn 188):
aa) Grundsätzlich keine Lösung: Bedingte Vollmacht
Rz. 191
Spezifizierung
Vollmachtserteilung unter aufschiebender Bedingung: (Beschränkung der Vertretungsmacht im Außenverhältnis, § 158 BGB), z.B. Bedingung = Geschäftsunfähigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Vollmachtgebers oder Vorlage eines ärztlichen Attestes über Geschäftsunfähigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit
Die Rechtsprechung hat die Praxisuntauglichkeit dieser Lösung bestätigt. Die Feststellung des Eintritts der Bedingung Geschäftsunfähigkeit – nicht zuletzt auch unter der Diskussion zur partiellen Geschäftsfähigkeit (siehe dazu 1. Auflage 2020, § 2 Rn 7 ff.) – und deren Nachweis im Rechtsverkehr (z.B. gem. § 174 BGB oder aus formell-rechtlichen Gründen, z.B. gegenüber dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO) bereitet große bis in der Praxis unlösbare Schwierigkeiten. "Hände weg von bedingten (Vorsorge-) Vollmachten!"(Müller).
Die Untauglichkeit hat sich herumgesprochen, in der Praxis finden sich solche bedingten Vorsorgevollmachten nur noch sehr selten (i.d.R. Altfälle). Hin und wieder kommt die (untaugliche) Bedingung im Außenverhältnis aber – insbes. bei Regelungen zum Ersatzbevollmächtigten – durch (aufpassen!); siehe zur Ersatzbevollmächtigung – mit Regelung im Innenverhältnis – den Musterbaustein Rdn 43).
Keine untaugliche Bedingung im vorstehenden Sinne ist die Bedingung, dass der Bevollmächtigte im Besitz der Vollmachtsurkunde im Original bzw. bei beurkundeter Vollmacht im Besitz einer Ausfertigung ist oder eine solche vorzulegen hat (siehe dazu Rdn 188).
bb) Lösung 1: "Schubladenlösung"
Rz. 192
Spezifizierung
"Unbedingte" Vollmachtserteilung und deren private Aufbewahrung, sog. Schubladenlösung, "unbedingte" Erteilung der Vollmacht, aber zunächst Verwahrung privat (zu Hause oder bei einer Vertrauensperson), ggf. ohne dass der Bevollmächtigte informiert wird (Letzteres funktioniert nur, wenn die Vollmacht nicht im Zentralen Register für Vorsorgevollmachten (ZVR) registriert wird, siehe zum ZVR § 9 Rdn 4 ff.; Letzteres ist i.Ü. aber im Hinblick auf die für die Wirksamkeit erforderliche Erteilung der Vollmacht problematisch, siehe dazu den nachstehenden Hinweis Rdn 195).
Rz. 193
Bei der Schubladenlösung besteht die Gefahr, dass die die Vollmachtsurkunde (Original) bzw. bei notarieller Beurkundung die für den Bevollmächtigten (später) bestimmte Ausfertigung (siehe zur Ausfertigung § 7 Rdn 31 ff.) beim Vollmachtgeber, bei der Vertrauensperson oder später beim Bevollmächtigten oder einem Empfänger/Leser nicht gefunden wird oder verlorengeht. Dem kann und sollte bei notarieller Beurkundung durch eine Anweisung zur Erteilung weiterer Ausfertigungen vorgebeugt werden (siehe im nachstehenden Muster den Hinweis in Variante 1 und die Lösung in Variante 2).
Rz. 194
Muster 1.32: Baustein Grundmuster – Ausfertigung zur Weiterleitung (Schubladenlösung, ggf. mit Variante Attest)
Muster 1.32: Baustein Grundmuster – Ausfertigung zur Weiterleitung (Schubladenlösung, ggf. mit Variante Attest)
(Standort im Grundmuster I: § 6 Abs. 1)
Ich weise den Notar an, dem Bevollmächtigten sofort eine Ausfertigung der heutigen Urkunde zu erteilen, diese jedoch nicht dem Bevollmächtigen zu übersenden, sondern mir zu meiner (späteren) Weiterleitung bzw. späteren Aushändigung an den Bevollmächtigten.
Variante 1 (keine weiteren Ausfertigungen):
Der Notar hat darauf hingewiesen, dass dem Bevollmächtigten auf dessen einseitigen Antrag keine weiteren Ausfertigungen erteilt werden (§ 51 Abs. 1 BeurkG).
Variante 2 (weitere Ausfertigungen bei Vorlage Attest/Sterbeurkunde):
Solange ich den Notar nicht schriftlich anders anweise, darf er dem Bevollmächtigten auf dessen einseitigen Antrag nur dann (weitere) Ausfertigun...