Rz. 104
Eine grundsätzliche Frage, aber in bestimmten Situationen auch durchaus eine Frage des Einzelfalls ist die, ob in die Vollmachtsurkunde einer als Generealvollmacht erteilten Vorsorgevollmacht für Vermögensangelegenheiten ein Katalog von zulässigen/möglichen Rechtsgeschäften/Rechtshandlungen aufzunehmen ist. Zum Grundsatz gehen die Meinungen in der kautelarjuristischen Literatur und auch in der Gestaltungspraxis – gefühlt 50:50 mit Tendenz zum Katalog – auseinander.
Rz. 105
Für die Aufnahme eines entsprechenden Kataloges spricht:
1. Dem Vollmachtgeber wird – noch einmal (unmittelbar vor seiner Unterschrift) – die Dimension einer Generalvollmacht vor Augen geführt. Hiermit erfüllt der Berater seine Hinweis- und Warnfunktion, die zugleich für ihn unmittelbar in der Urkunde dokumentiert ist. Nicht selten erlebt der Berater Fragen oder gar eine Diskussion zu einzelnen im Katalog aufgeführten Rechtsgeschäften/Rechtshandlungen, die es für den Vollmachtgeber bei einer "schlichten" Generalvollmacht (ohne Katalog) nicht gegeben hätte: "Was, das darf der Bevollmächtigte auch? Das hätte ich ja nie gedacht!" Die Erfahrung in der Beratung und Umsetzung von Vorsorgevollmachten (insbes. im Fall der notariellen Beurkundung beim Vorlesen) zeigt, dass es für viele Vollmachtgeber doch mehr als "alles" gibt. Das gilt mitunter sogar für juristisch (vor-)gebildete Vollmachtgeber (bis hin zur Befähigung zum Richteramt) in dessen eigener Sache. Eben an diesen Fragen/Diskussionen – am Katalog – können die wichtigen Themen wie Schenkungen, Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB und Start der Vollmacht/Ausfertigungen erörtert werden (die drei "Kernfragen", siehe Rdn 54). Der Berater kann dabei auch seine Einschätzung zur Intensität des Vertrauens des Vollmachtgebers in die Person des/der Bevollmächtigten überprüfen (siehe dazu z.B. Rdn 29).
Rz. 106
2. Bei entsprechender Gestaltung des Kataloges kann der Empfänger/Leser der Vorsorgevollmacht sein Thema schnell finden und hat so eine Bestätigung, dass die Vollmacht auch für "seinen" Fall gilt. Das gilt nicht so sehr für den juristischen Empfänger wie etwa ein Gericht (z.B. das Grundbuchamt), sondern mehr für den nicht-juristischen Geschäftsverkehr, wozu hier auch Bankmitarbeiter – außerhalb der dortigen Rechtsabteilung – zählen (Stichwort: "bankenfreundliche" Vollmacht).
Rz. 107
3. Renner/Braun (selbst grundsätzlich keine Befürworter des Katalogs) weisen noch auf die folgenden beiden Vorteile hin: Da das Gesetz in persönlichen Angelegenheiten konkrete Formulierungen fordert (siehe dazu Rdn 118 ff.), brächte der (freiwillige) Katalog in Vermögensangelegenheiten einen Gleichlauf zwischen beiden Urkundsteilen; man könnte auch von einem gewissen (optischen) Gleichgewicht sprechen (siehe im Grundmuster I Rdn 8, dort § 2 Abs. 2 Nr. 1 zu Nr. 2). Ferner werde die Verwendbarkeit der Vollmacht im Ausland erhöht.
Rz. 108
Gegen die Aufnahme eines entsprechenden Kataloges spricht:
1. Auch eine ausdrücklich beispielhafte Aufzahlung von Rechtsgeschäften/Rechtshandlungen kann den Empfänger/Leser einer Vorsorgevollmacht (auch Gerichte) dazu veranlassen, nicht aufgezählte Rechtsgeschäfte/Rechtshandlungen als von der Bevollmächtigung ausgenommen anzusehen. Dieses Problem dürfte aber heute nicht mehr so groß sein wie in der Vergangenheit. Die Vorsorgevollmacht wird in der Praxis mehr und mehr auch und insbes. als Generalvollmacht wahrgenommen. Außerdem haben sich aus der Erfahrung/Rechtsprechung der Vergangenheit zwischenzeitlich so vorsichtige/klarstellende Formulierungen entwickelt, die die Besorgnis einer nicht gewünschten Einschränkung beseitigen sollten (siehe im Grundmuster I Rdn 8 die Einleitung zum Katalog, § 2 Abs. 2 Nr. 1).
Rz. 109
2. Der Katalog führt zu einer inhaltlich und textlich umfangreicheren Vollmacht. Das könnte die Konzentrationsfähigkeit/Aufnahmekapazität des Vollmachtgebers einschränken bzw. den Vollmachtgeber überfordern. Auf der anderen Seite macht aber gerade der Katalog (wenn er sich auf für den konkreten Vollmachtgeber zu erwartenden Rechtsgeschäfte/Rechtshandlungen beschränkt) dem Vollmachtgeber die Themen der Vollmacht plastisch.
Rz. 110
3. Im Einzelfall können Umfang und inhaltliche Dichte für den Vollmachtgeber in seiner persönlichen Situation (z.B. bei schwerer Erkrankung, nicht mit Blick auf die Geschäftsfähigkeit, aber z.B. mit Blick auf die Dauer der Konzentrationsfähigkeit) zur Zumutung werden. Dann sollte die Vollmacht unter angemessener Berücksichtigung der Hinweis-/Warnfunktion des Beraters und entsprechender Dokumentation gekürzt werden, wobei es sich dann anbietet, den hier vorgeschlagenen Katalog stark zu reduzieren oder gar ganz zu streichen (siehe dazu den Hinweis 1. Auflage 2020, § 2 Rn 17).
Rz. 111
Hier wird mit dem Grundmuster I (Rdn 8) die Aufnahme eines Kataloges befürwortet (siehe dort § 2 Abs. 2 Nr. 1). Der Katalog darf allerdings nicht "ausufern" – weder vom Umfang noch vom Inhalt her. Vom Umfang her sollte eine Seite...