Isabelle Losch, Gabriela Hack
Rz. 255
Ein in der Praxis häufig auftretendes Problem ist die Frage nach den Pflichten des Bevollmächtigten, hier insbesondere den Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Herausgabepflichten, die jeweils abhängig von dem der Vollmacht zugrunde liegenden Innenverhältnis gegenüber dem Vollmachtgeber bzw. gegenüber dessen Rechtsnachfolgern bestehen.
a) Rechtliche Qualifizierung des Innenverhältnisses
Rz. 256
Es stellt sich die Frage, wie das Innenverhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten rechtlich zu qualifizieren ist. In Betracht kommen insbesondere ein reines Gefälligkeitsverhältnis, ein Auftrag oder ein Geschäftsbesorgungsvertrag. Ist der Bevollmächtigte ein naher Angehöriger oder eine sonst sehr nahestehende Person und wird die Vollmacht daher unentgeltlich ausgeübt, scheiden Auftrag und Gefälligkeitsverhältnis aus und es kommt insbesondere ein Geschäftsbesorgungsvertrag in Betracht.
Der Bevollmächtigung liegt bei Unentgeltlichkeit in der Regel ein Auftrag, bei Entgeltlichkeit ein Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde.
Rz. 257
Die Abgrenzung zwischen Auftrag und bloßem Gefälligkeitsverhältnis ist sehr weitreichend, denn den Beauftragten treffen erhebliche Pflichten: Er muss Weisungen befolgen, er muss Auskunft erteilen und Rechnung legen, er ist verpflichtet, das Erlangte herauszugeben, und er haftet für Schäden. Die Abgrenzung erfolgt über den Rechtsbindungswillen. Dieser fehlt bei bloßen Gefälligkeiten des täglichen Lebens, ebenso bei gesellschaftlichen, konventionellen oder freundschaftlichen Zusagen. Ein Handeln aufgrund eines Gefälligkeitsverhältnisses – und damit ohne Rechtsbindungswillen – wird eher im nichtvermögensrechtlichen Bereich einer Vorsorgevollmacht als im vermögensrechtlichen Bereich anzutreffen sein, etwa bei dem sog. Gefälligkeitshandeln des täglichen Lebens, bei Zusagen im rein gesellschaftlichen Verkehr oder bei ähnlichen Vorgängen.
Rz. 258
Immer wenn bei der Beauftragung erkennbar wirtschaftliche Interessen im Spiel sind, wie z.B. erhebliche Vermögenswerte des Auftraggebers, lässt dies auf einen Rechtsbindungswillen schließen. Bei fortgesetzter, verantwortungsvoller Tätigkeit aufgrund einer General- und Vorsorgevollmacht wird man in der Regel somit nicht von einem Gefälligkeitsverhältnis, sondern von einem Rechtsbindungswillen und somit von einem Auftragsverhältnis ausgehen können.
Rz. 259
Für die Abgrenzung, ob ein Auftrags- oder ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt, sind nach dem OLG Brandenburg die Verhältnisse in dem Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Vollmacht eingeräumt wurde, und nicht die Frage, in welchem Umfang der Bevollmächtigte von einer (Konto-)Vollmacht Gebrauch gemacht hat.
Bei begrenzten Vollmachten wie beispielsweise einer isolierten Kontovollmacht ist die Rechtsprechung wiederholt von einem Gefälligkeitsverhältnis ausgegangen, wenn diese einem Verwandten oder engen Freund erteilt wurde, auch wenn diese über einen längeren Zeitraum über erhebliche und wesentliche Vermögenswerte mit der Kontovollmacht verfügt haben.
Rz. 260
Eine Besonderheit besteht im Verhältnis zwischen Eheleuten. Nach der Rechtsprechung des BGH entsteht zwischen Ehegatten selbst dann kein Auftragsverhältnis i.S.d. §§ 662 ff. BGB, wenn einer von ihnen aufgrund einer Kontovollmacht die Wirtschaftsführung im Wesentlichen allein übernimmt und die verfügbaren Mittel im Wesentlichen aus den Einkünften oder dem Vermögen des anderen Ehegatten zufließen. Deshalb kann der andere Ehegatte von dem die Wirtschaftsführung wahrnehmenden Ehegatten – und zwar weder nach Auftragsrecht noch aufgrund eines eigenständigen familienrechtlichen Anspruchs – die Rückzahlung von Geldern verlangen, deren familienbezogene Verwendung dieser Ehegatte nicht belegen kann. § 667 BGB kommt hier weder unmittelbar noch analog zur Anwendung. Begründet wird dies mit dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Ehegatten, in dem in der Regel keine Auskunft oder Rechenschaft verlangt wird und der andere grundsätzlich nicht im Nachhinein dem einseitigen Risiko ausgesetzt werden soll, Ausgaben genauer anzugeben und zu belegen. Nach dem BGH ist die Annahme eines Auftragsverhältnisses bei Ehegatten vielmehr der Ausnahmefall: Ehegatten müssten "Ausgaben nicht mit der gleichen Genauigkeit abrechnen wie Vertragspartner, die nicht in einer ehelichen Lebensgemeinschaft verbunden sind".
Ein Auftrag ist nur dann anzunehmen, wenn der eine Ehegatte dem anderen Ehegatten seine Vermögensverwaltung überlässt.
Rz. 261
Ein solches besonderes Vertrauensverhältnis wurde in der Rechtsprechung allerdings teilweise ebenfalls bejaht zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, zwischen Mutter und Tochter sowie zwischen Großmutter und Enkelkind. Ferner wird das besondere Vertrauensverhältnis bei einer gleichgeschlechtlichen eingetragenen Lebenspartnerschaft anzunehmen sein.
Der BGH hat jedoch klargestellt, dass seine Entscheidung aus dem Jahr 2000 die spezifischen Besonderheiten der Beziehung zwischen Eheleuten berücksichtige un...