Isabelle Losch, Gabriela Hack
Rz. 98
Sofern Vollmacht für den späteren Testamentsvollstrecker erteilt wird, kann die Kopplung von Testamentsvollstreckeramt und Generalvollmacht dazu verwendet werden, die Rechte des Testamentsvollstreckers auszuweiten. So kann der Testamentsvollstrecker schon vor Amtsbeginn aufgrund einer erteilten Vollmacht über den Nachlass verfügen; nach Amtsbeginn kann die erteilte Vollmacht die Befugnisse des Testamentsvollstreckers erweitern.
Die Aufgabenkreise und Befugnisse von Testamentsvollstrecker und einem anderen Bevollmächtigten können sich vielfach überschneiden und somit zu Kollisionen führen. Umstritten ist, ob die Anordnung einer Testamentsvollstreckung die Vollmacht in ihrer Wirkung einschränkt. Bedeutsam für einen Vertragspartner ist hier somit, ob er sich auf den Bestand einer erteilten Vollmacht verlassen darf, auch wenn er von der Testamentsvollstreckung Kenntnis erlangt hat.
Rz. 99
Trotz einer kontrovers geführten Diskussion kann nach h.M. und Rspr. ein durch trans- oder postmortale Vollmacht Bevollmächtigter nicht durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung in seiner Verfügungsberechtigung beschränkt werden. Beide Befugnisse bestehen isoliert nebeneinander. Erlangt ein Vertragspartner Kenntnis von der Testamentsvollstreckung, so besteht grundsätzlich kein Anlass für diesen, anzunehmen, der Erblasser habe die Vollmacht widerrufen wollen. Gerade bei einer postmortalen Vollmacht, die erst ab dem Tod des Vollmachtgebers Wirkung entfaltet, ist anzunehmen, dass nach dem Willen des Erblassers die Rechte des Testamentsvollstreckers durch die des Bevollmächtigten eingeschränkt sein sollen. In jedem Einzelfall ist der wirkliche Wille des Erblassers anhand der erteilten Vollmacht sowie der Anordnung der Testamentsvollstreckung, wobei es auf die zeitliche Reihenfolge der Erteilung und der Anordnung nicht ankommt, durch Auslegung der beiden Urkunden zu erforschen, insbesondere ob und inwieweit der Erblasser voneinander unabhängige Machtbefugnisse begründen wollte. Die Begleitumstände, der verfolgte Zweck und die bestehende Interessenlage können dabei immer Berücksichtigung finden.
Die Rechtsstellung als Bevollmächtigter geht also durch die Ernennung eines Testamentsvollstreckers nicht verloren. Beide stehen im Außenverhältnis selbstständig nebeneinander. Der Vollmachtnehmer leitet seine Befugnis vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker ab.
Rz. 100
Allerdings kann der Testamentsvollstrecker die einem Dritten erteilte Vollmacht widerrufen, sofern dies nicht ausdrücklich oder konkludent ausgeschlossen ist, vgl. § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB. Einen konkludenten Ausschluss wird man in der Regel bei einer postmortalen Vollmacht annehmen können.
Rz. 101
Es besteht auch die Möglichkeit des Alleinerben oder bei einer Erbengemeinschaft jedes Miterben mit Wirkung für sich, die einem Dritten oder dem Testamentsvollstrecker erteilte Vollmacht zu widerrufen (siehe Rdn 296 ff.). Gegen einen Widerruf der Vollmacht kann der Testamentsvollstrecker dadurch geschützt werden, dass die Beibehaltung derselben den Erben zur Auflage gemacht und deren Einhaltung durch den Testamentsvollstrecker überwacht wird. Auch kann die Erfüllung dieser Anordnung zur Bedingung für die Beibehaltung der Erbenstellung gemacht werden.
Rz. 102
Wurde der Testamentsvollstrecker gleichzeitig auch Generalbevollmächtigter aufgrund postmortaler Vollmacht, so unterliegt er bei seinem Tätigwerden im Rahmen der Vollmacht nicht den Beschränkungen eines Testamentsvollstreckers. So kann er aufgrund einer Vollmacht etwa dazu ermächtigt sein, unentgeltliche Verfügungen zu treffen oder vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit werden.
Praxistipp
Sofern in der letztwilligen Verfügung des Mandanten Testamentsvollstreckung angeordnet wurde oder wird, ist darauf zu achten, dass dies auf bereits bestehende oder zu erstellende Vollmachten abgestimmt ist, um spätere Streitigkeiten über die Befugnisse von Testamentsvollstrecker und Bevollmächtigtem zu vermeiden.
Rz. 103
Bei bestehender Testamentsvollstreckung fehlt in der Regel ein Bedürfnis für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB.