Isabelle Losch, Gabriela Hack
Rz. 276
Praxisfall
"Beweislastverteilung bei Rückforderungsansprüchen der Erben gegenüber dem Bevollmächtigten bei behaupteter Schenkung"
Die Abkömmlinge A und B werden gesetzliche Erben. A wohnte mit dem Erblasser gemeinsam in einem Haus und betreute und pflegte diesen. B hatte zu dem Erblasser seit Jahren keinen Kontakt mehr. Der Erblasser hatte dem A transmortale Kontovollmacht erteilt und zu Lebzeiten ausgehändigt. B verlangt 50.000 EUR, die der Erblasser zu Lebzeiten an A überwiesen hatte, von diesem an den Nachlass heraus sowie weitere 100.000 EUR, die A noch zu Lebzeiten des Erblassers von dessen Konto auf eigene Konten transferiert hatte. A behauptet, der Erblasser habe ihm das Geld geschenkt.
(1) Allgemeines zur Beweislastverteilung
Rz. 277
Im Schenkungsprozess gelten grundsätzlich die allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln. Grundsätzlich muss demnach derjenige alle anspruchsbegründenden Tatsachen behaupten und im Bestreitensfall beweisen, der den Anspruch geltend macht. Derjenige, der den Anspruch geltend macht, trägt demnach die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die herausverlangte Vermögensmehrung ohne Rechtsgrund besteht. Dieser Grundsatz gilt auch, soweit negative Umstände wie das Fehlen eines Rechtsgrundes anspruchsbegründend sind.
(2) Beweislastumkehr
Rz. 278
Einer besonderen Darlegung des Fehlens eines rechtlichen Grundes durch den Bereicherungsgläubiger bedarf es nicht, wenn bereits Tatumstände unstreitig sind, die den Schluss nahelegen, dass der Bereicherungsschuldner etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Dies dürfte bei Eingriffskondiktionen häufig der Fall sein, wenn unstreitig feststeht, dass der Bereicherungsschuldner etwas aus einer eindeutig dem Anspruchsteller zugewiesenen Rechtsposition erlangt hat.
Rz. 279
Ein solcher Fall wurde von der Rechtsprechung beispielsweise angenommen, wenn der Schuldner von einem Sparbuch des Gläubigers oder dessen Rechtsvorgängers, das er in Besitz hatte, einen Betrag abgehoben hat. Der Bereicherungsschuldner hat dann seinerseits den Beweis dafür zu erbringen, dass ihm ein rechtlicher Grund zur Seite stand, insbesondere, dass eine Schenkungsvereinbarung der Abhebung zugrunde lag, die durch Vollzug in ihrem Formmangel geheilt wurde.
Rz. 280
Hat der Erblasser jedoch zunächst namhafte Beträge an den Schuldner überwiesen und der Schuldner erst danach auch aufgrund der ihm erteilten Vollmacht selbst Beträge abgehoben, kann der Schluss, der Beklagte habe etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, nicht ohne Weiteres gezogen werden. Denn in aller Regel tätigt ein Leistender Überweisungen nur dann, wenn er sich hierzu für verpflichtet hält und der Empfänger die Leistung behalten soll. Somit bilden die vom Leistenden getätigten Überweisungen an den Schuldner einen Grund, es jedenfalls als möglich anzunehmen, dass auch die zeitnah erfolgten Abhebungen durch denselben Rechtsgrund gedeckt waren.
(3) Die sekundäre Behauptungslast
Rz. 281
Liegt eine zuvor dargestellte Ausnahme nicht vor, hat aus Zwecken der Prozessförderung die als Schuldner in Anspruch genommene Partei die Umstände darzulegen, aus denen sie ableitet, das Erlangte behalten zu dürfen.
Erst wenn der Schuldner diese Mitwirkungspflicht vorgenommen hat, kann und muss die darlegungs- und beweislastpflichtige Partei im Rahmen zumutbaren Aufwands diese Umstände durch eigenen Vortrag und im Falle des Bestreitens durch geeigneten Nachweis widerlegen, um das Fehlen eines rechtlichen Grundes darzutun.
Rz. 282
Somit obliegt dem Bereicherungsschuldner eine sekundäre Behauptungslast, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Schuldner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind. Im Rahmen des Zumutbaren kann vom Prozessgegner insbesondere das substantiierte Bestreiten einer negativen Tatsache unter Darlegung der für das Positivum sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden.
Rz. 283
Der Umfang der Substantiierungspflicht hat sich am Zweck der Darlegung zu orientieren. Für den Schuldner eines Anspruchs aus § 812 BGB können dabei keine strengeren Anforderungen gelten als üblicherweise für den Anspruchsteller. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH genügt ein Anspruchsteller seiner Substantiierungspflicht bereits mit der Behauptung von Tatsachen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen.
Rz. 284
Um also zu erklären, dass die vom Schuldner mit Vollmacht getätigten Abhebungen als Erfüllung eines Schenkungsversprechens des Erblassers mit Rechtsgrund erfolgten, bedarf es somit lediglich der nachvo...