Isabelle Losch, Gabriela Hack
I. Allgemeines
Rz. 193
Mit der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts trat zum 1.1.2023 § 1358 BGB in Kraft, welcher das Ehegattenvertretungsrecht normiert. Bei bestehender Unfähigkeit des einen Ehegatten, seine Angelegenheiten aufgrund von Krankheit oder Bewusstlosigkeit zu besorgen, soll dem anderen Ehegatten gemäß § 1358 BGB die Möglichkeit gegeben werden, ihn für eine beschränkte Zeit bei Vorliegen der Voraussetzungen wirksam bei Maßnahmen, die nicht aufgeschoben werden können, zu vertreten.
Das Ehegattenvertretungsrecht ist weder ein umfassendes Vertretungsrecht, da es lediglich die Gesundheitssorge und diesbezügliche Maßnahmen betrifft, noch ein reines Notvertretungsrecht. In bestimmten Situationen, gerade auch am Lebensende, kann zwar das Durchlaufen eines formalen Betreuungsverfahrens hierdurch vermeiden werden, im Ergebnis kann es jedoch keine Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung ersetzen. Diese sind zu errichten.
Rz. 194
Das Ehegattenvertretungsrecht ist eine vollmachtlose Vertretungsmöglichkeit, welche die Einrichtung einer Betreuung entbehrlich macht. Ziel ist unter anderem die Einsparung von Kosten für die Gerichte.
Sollte der vertretende Ehegatte selbst geschäftsunfähig werden, spricht dies für den Wegfall des Vertretungsrechts als allgemeiner Ausschlussgrund, was folglich zu der Notwendigkeit einer Betreuung führt.
Rz. 195
Andere europäische Länder kennen ein Ehegattenvertretungsrecht nicht. In Österreich besteht die Möglichkeit der Einrichtung eines Erwachsenenvertretungsrechts durch einen oder mehrere Angehörige gemäß §§ 268–270 ABGB. Dieses ist auf drei Jahre befristet, kann jedoch erneuert werden. In der Schweiz kann gemäß Art. 374 ff. ZGB eine beschränkte gesetzliche Angehörigenvertretung eingeräumt werden. In Norwegen ist eine Vertretung für Ehegatten und nahe Verwandte ebenfalls möglich, wenn eine Person aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, ihre Angelegenheiten zu erledigen.
II. Voraussetzungen
1. Persönliche Voraussetzung
Rz. 196
Gemäß Art. 15 EGBGB gilt § 1358 BGB für im Inland lebende Ehegatten sowie über § 21 LPartG auch für eingetragene Lebenspartner. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Lebensgefährten, Eltern und Abkömmlinge ist nicht möglich. Das Ehegattenvertretungsrecht endet gemäߧ 1358 Abs. 3 Nr. 1 BGB mit dem Getrenntleben (§ 1567 BGB) der Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner.
§ 1358 BGB ist für Heilbehandlungen, die im Inland durchgeführt werden, zwingend anwendbar gemäß Art. 15 EGBGB bzw. Art. 17b Abs. 2 EGBGB, selbst wenn die anderen koalitionsrechtlichen Vorschriften für den Güterstand ein anderes Recht anwenden würden.
Rz. 197
Die Übernahme der Ehegattenvertretung ist für die Ehegatten nicht verpflichtend.
2. Sachliche Voraussetzung (§ 1358 Abs. 1 BGB)
Rz. 198
Voraussetzung ist gemäß § 1358 Abs. 1 BGB, dass der zu vertretende Ehegatte seine Angelegenheiten betreffend die Gesundheitssorge aufgrund von Krankheit oder Bewusstlosigkeit nicht besorgen kann. Dies wäre gemäß § 630d Abs. 1 S. 4 BGB der Fall, wenn die Einwilligung für eine unaufschiebbare medizinische Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, diese jedoch ohne Einwilligung des Patienten durchgeführt werden kann, wenn diese dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.
Rz. 199
Das Gesetz definiert die Begriffe "Krankheit" und "Bewusstlosigkeit" nicht. Zur Definition des Begriffs der Krankheit soll eine Orientierung an § 1814 Abs. 1 BGB erfolgen. Spickhoff schlägt vor, den Begriff der Krankheit nach dem im Krankenversicherungsrecht, bspw. in § 27 SGB V, verwendeten Begriff zu definieren. Eine Krankheit wird insoweit angenommen, wenn bei dem Patienten ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand vorliegt, dessen Eintritt entweder allein die Notwendigkeit von Heilbehandlung oder zugleich oder ausschließlich die Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.
Der Begriff der Bewusstlosigkeit soll anhand des § 827 BGB definiert werden. Eine Bewusstlosigkeit liegt im Falle des Fehlens des Bewusstseins oder einer hochgradigen Bewusstseinstrübung, in deren Folge der Patient den Inhalt und das Wesen seiner Handlungen ganz oder in bestimmter Richtung nicht mehr erkennen kann, vor. Hierunter wird auch eine intellektuelle Behinderung wie Demenz zu subsumieren sein.
Eine Einwilligungsunfähigkeit oder Geschäftsunfähigkeit wird n...