Isabelle Losch, Gabriela Hack
Rz. 291
Praxisfall
"Rückforderungsansprüche des Vollmachtgebers gegenüber dem von dem Bevollmächtigten beschenkten Dritten"
S erteilt seinem Vater V Konto- und Depotvollmacht. V überträgt ohne Einverständnis des S dessen Depotanteile an T, seine Tochter.
Problematisch ist die Frage, ob ein vom Bevollmächtigten gegen den Willen des Vollmachtgebers beschenkter Dritter zur Herausgabe des schenkweise Erlangten verpflichtet ist.
Auch hier gilt das zuvor Gesagte. Die Existenz einer Konto- bzw. Depotvollmacht der Art, wie sie etwa zu Zwecken der Vermögensverwaltung erteilt wird, berechtigt den Bevollmächtigten normalerweise nicht dazu, das Vermögen des Bevollmächtigten zu verschenken, erst recht nicht, dabei selbst als Schenker aufzutreten.
Fraglich ist hier, ob die Beschenkte die Depotanteile herausgeben muss.
Rz. 292
Eine Bereicherungshaftung der beschenkten Dritten nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB kann mangels einer Verfügung eines Nichtberechtigten nicht als gegeben angesehen werden, da der Verfügende in Vollmacht des Berechtigten handelte. Denn bei einer offenen Stellvertretung ist der Vertretene der berechtigt Verfügende.
Ein Rückforderungsrecht des Vollmachtgebers kann sich hier allenfalls aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben. Hierbei stellt sich dann die Problematik des bereicherungsrechtlichen Ausgleichs im Dreipersonenverhältnis.
Rz. 293
In der Rechtsprechung des BGH ist hier immer wieder betont worden, dass sich bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung verbietet. Vielmehr sind in erster Linie die Besonderheiten des einzelnen Falles für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung zu beachten. Bei der Feststellung, ob eine Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinn vorliegt, kommt es in erster Linie auf die der Zuwendung gegebenen Zweckbestimmung, also zunächst darauf an, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben. Stimmen die Vorstellungen der Beteiligten nicht überein, ist eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers geboten. Dabei sind insbesondere auch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Risikoverteilung zu berücksichtigen.
Nach Auffassung des BGH rechtfertigt die typische Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs bei der Fallgestaltung einer Leistung auf Anweisung, bei der es im Deckungsverhältnis an einem Rechtsgrund fehlt und im Valutaverhältnis die Leistung unentgeltlich bewirkt worden ist, die Herausgabeverpflichtung des die unentgeltliche Leistung empfangenden Dritten.
Rz. 294
In ähnlicher Weise steht die Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs regelmäßig auch einer Wertung einer Zuwendung als Leistung des Schenkers im bereicherungsrechtlichen Sinne entgegen, wenn die Schenkung für den Empfänger erkennbar nicht aus dem Vermögen des Schenkers, sondern aus dem Vermögen eines Dritten erfolgt, über das der Schenker lediglich Verfügungsvollmacht besitzt.
Lösung
Ist für die Beschenkte daher nach den gesamten Zusammenhängen ohne weiteres erkennbar gewesen, dass es sich um die Zuwendung von Wertpapieren handelte, die im Eigentum des S standen, so war für die Beschenkte zugleich zumindest als Risiko erkennbar, dass die Wertpapiere nicht der beliebigen Disposition des Vaters unterlagen, mithin auf den ersten Blick nicht zu seinem Vermögen gehörten, mit der Folge, dass die unentgeltliche Zuwendung der Wertpapiere nicht aus dem Vermögen des Vaters erbracht wurde und damit auch keine "Leistung" desselben an die Beschenkte darstellte.
Demnach hat S einen Rückgabeanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB direkt gegen T.
Rz. 295
Aus Sicht des Bevollmächtigten bergen Schenkungen aus dem Vermögen des Vollmachtgebers oft das Risiko von Missbrauchsvorwürfen durch die späteren Erben. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 8.1.2020 die Bestellung eines Kontrollbetreuers (u.a. mit dem Aufgabenkreis des Widerrufs der Vollmacht) in einem Fall abgelehnt, in welchem die Bevollmächtigte Zuwendungen an sich und ihre Familie aus dem Vermögen der Betroffenen getätigt hat. Die Zuwendungen seien nicht zu beanstanden, da der Bevollmächtigten in der Vollmacht Schenkungen gestattet wurden, wie sie einem Betreuer gestattet sind, die Schenkungen auf Wunsch der Vollmachtgeberin erfolgten und im Umfang den durch die Vollmachtgeberin in der Vergangenheit getätigten Schenkungen sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Vollmachtgeberin entsprachen. Diese Kriterien sind im Einzelfall bei der Frage der Missbräuchlichkeit einer Schenkung heranzuziehen.