Isabelle Losch, Gabriela Hack
I. Rechtliche Grundlagen
Rz. 238
In der Regel wird der Bevollmächtigte bei einer General- und Vorsorgevollmacht befugt, den Vollmachtgeber im Außenverhältnis in allen zulässigen Fällen zu vertreten. Es darf daher nicht verschwiegen werden, dass solche Vollmachten – neben den vielen Vorteilen – risikobehaftet sind und eine erhebliche Missbrauchsgefahr besteht. Grundvoraussetzung für die Erteilung einer General- und Vorsorgevollmacht sollte daher ein besonderes Vertrauensverhältnis zur Person des Bevollmächtigten sein. In der Praxis ist über das enorme Missbrauchspotenzial und die mit Vollmachten verbundenen erheblichen Risiken zu belehren, es ist vor einem allzu großzügigen Umgang mit Vorsorgevollmachten zu warnen und ggf. sind Sicherungsmöglichkeiten herauszuarbeiten.
Rz. 239
Um den Vollmachtgeber davor zu schützen, dass der Bevollmächtigte schon vor Eintritt des "Vorsorgefalls" mit der Vollmacht handelt, sind teilweise in den Vollmachten Regelungen enthalten, in welchen das Außenverhältnis beschränkt wird. Beispielsweise wird vorgeschlagen, dass für den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vollmacht auf die Geschäftsunfähigkeit oder den Verlust der natürlichen Einsichtsfähigkeit abgestellt wird. Solche Regelungen liest man häufig in frei zugänglichen Mustern aus dem Internet. Solche Beschränkungen führen in der Praxis weitgehend zur Unbrauchbarkeit der Vollmacht.
Rz. 240
Sinnvoller ist es – wie es in der notariellen Praxis teilweise gehandhabt wird –, die Wirksamkeit der Vollmacht davon abhängig zu machen, dass der Bevollmächtigte im Besitz einer auf ihn lautenden Ausfertigung der Vollmachtsurkunde ist, und die Ausfertigung dann an den Vollmachtgeber, nicht aber an den Bevollmächtigten zu erteilen, so dass der Vollmachtgeber über den Zeitpunkt entscheiden kann, zu welchem er die Ausfertigung an den Bevollmächtigten herausgeben möchte. Dabei ist jedoch sicherzustellen, dass der Bevollmächtigte im "Notfall" dann auch Zugang zu der Ausfertigung hat und diese nicht beispielsweise in einem Banksafe verwahrt wird, für deren Zugang der Bevollmächtigte sich durch die Vollmacht, die im Banksafe liegt, legitimieren muss. Sinnvollerweise bekommt der Bevollmächtigte nach der Beurkundung jedenfalls eine einfache Abschrift (bei notarieller Beurkundung) oder eine Kopie der nichtnotariellen Vollmacht, so dass es nicht an einer wirksamen Abgabe der Vollmachtserklärung fehlt.
Eine Regelung, dass der Notar eine Ausfertigung an den Bevollmächtigten erst dann erteilen soll, wenn dieser die Geschäftsunfähigkeit nachgewiesen hat, wird regelmäßig auch nicht praxistauglich sein.
Rz. 241
Nach dem Gesagten sind Beschränkungen im Außenverhältnis in der Vollmacht selbst oft nicht sinnvoll. Daher werden die meisten Vollmachten (im Außenverhältnis) regelmäßig unbedingt und unbefristet erteilt.
Teilweise wird empfohlen, in der Vollmachtsurkunde darauf hinzuweisen, dass die Vollmacht unbedingt und unbefristet ist und lediglich im Innenverhältnis Beschränkungen gelten. Da dem juristischen Laien regelmäßig der Unterschied zwischen Innen- und Außenverhältnis nicht bekannt sein dürfte, wird es vorteilhafter sein, einen solchen Vermerk nicht in die Vollmachtsurkunde selbst aufzunehmen, sondern dies lediglich im Innenverhältnis zu regeln.
Im Innenverhältnis sollte die Vollmacht dahingehend beschränkt werden, dass der Bevollmächtigte erst bei Eintritt des Vorsorgefalls von der Vollmacht Gebrauch machen darf.
Rz. 242
Macht der Bevollmächtigte von der Vollmacht Gebrauch, indem er das, was ihm im Innenverhältnis gestattet war, überschreitet und es im Außenverhältnis aber zu einer Bindung des Vollmachtgebers kommt, liegt ein Missbrauch der Vertretungsmacht vor. Kurz gesagt ist ein Missbrauch der Vertretungsmacht die Überschreitung der Befugnisse im Innenverhältnis bei gleichzeitiger Wirksamkeit im Außenverhältnis. Die Folge ist, dass der Vollmachtgeber gegen den Bevollmächtigten Regressansprüche aus dem Innenverhältnis wegen schuldhafter Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB hat.
Rz. 243
Präventiv kommt es bei der Abwehr eines Missbrauchs schon bei der Auswahl des Bevollmächtigten darauf an, eine vertrauenswürdige und geeignete Person möglichst aus dem nächsten familiären oder persönlichen Umfeld mit der Aufgabe zu betrauen (vgl. zur Auswahl des Bevollmächtigten Rdn 56 ff., 68 ff.).
Rz. 244
Anstatt einen Bevollmächtigten oder mehrere Bevollmächtigte mit Einzelvertretungsbefugnis zu bestimmen, ist es auch möglich, mehrere Bevollmächtigte als Gesamtvertreter zu bestimmen. Das "Mehr-Augen-Prinzip" führt für den Vollmachtgeber zu einem "recht wirksamen Missbrauchsschutz", kann aber auch dazu führen, dass keine Entscheidungen mehr getroffen werden (Pattsituation). Daher wird es in der Regel vorteilhafter sein, ein Rangverhältnis hinsichtlich der Ausübungsermächtigung im Innenverhältnis zu bestimmen. Diese Konstellation wird oft zwischen Ehepartnern und bevollmächtigten Kindern gewählt.
Rz. 245
Für den Missbrauch einer Vorsorgev...