I. Allgemeines
Rz. 6
Bei Grundstücksübertragungen unter einer Auflage sind von dem steuerlichen Wert des Grundvermögens (siehe § 8 Rdn 17 ff.>) die vom Erwerber übernommenen Nutzungsauflagen (z.B. Nießbrauch), Duldungsauflagen (z.B. Wohnungsrecht) sowie Leistungsauflagen (z.B. Renten) erwerbsmindernd abzuziehen. In der Regel führen solche Auflagen zu einer erheblichen Reduzierung der Bemessungsgrundlage für die Übertragung und damit der Erbschaft- bzw. Schenkungsbesteuerung der Vermögensnachfolge insgesamt. Praktischer Hauptanwendungsfall ist der dem Veräußerer vorbehaltene Nießbrauch.
II. Steuerliche Bewertung
1. Allgemeines
Rz. 7
Die steuerliche Bewertung von Nutzungs-, Duldungs- sowie Leistungsauflagen ermittelt sich nach den Allgemeinen Vorschriften des Bewertungsgesetzes, §§ 13 ff. BewG. Der Wert errechnet sich aus der Multiplikation von Vervielfältiger und Jahreswert der Auflage.
2. Vervielfältiger
Rz. 8
In der Regel werden Vorbehaltsnießbrauch bzw. -wohnrecht und Rentenzahlungen auf Lebenszeit des Veräußerers vereinbart. Gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 BewG leiten sich dabei die Vervielfältiger aus der Sterbetafel des Statistischen Bundesamts ab und gelten für das ab dem 1.1. des auf die Veröffentlichung der Sterbetafel folgenden Kalenderjahres. Das Bundesministerium für Finanzen veröffentlicht die Vervielfältiger für den Kapitalwert zusammen mit dem Datum der Veröffentlichung der Sterbetafel im Bundessteuerblatt, § 14 Abs. 1 S. 4 BewG.
Rz. 9
Bei Rechten, die auf bestimmte Dauer vorbehalten werden, ergibt sich der Vervielfältiger gem. § 13 Abs. 1 S. 1 BewG aus Anlage 9a zum BewG. Bei der Vereinbarung von immerwährenden Rechten – also Rechten, deren Ende ungewiss ist (was in der Praxis wohl nur eine untergeordnete Rolle spielt) –, beträgt der Vervielfältiger gem. § 13 Abs. 2 Hs. 1 BewG 18,6. Bei Rechten von unbestimmter Dauer – also Rechten, deren Ende in absehbarer Zeit sicher, bei denen der Zeitpunkt aber noch ungewiss ist –, beträgt der Multiplikator gem. § 13 Abs. 2 Hs. 2 BewG stets 9,3.
3. Jahreswert
a) Ermittlung des Jahreswerts
Rz. 10
Nutzungen oder Leistungen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren und sonstige Sachbezüge), sind "mit den üblichen Mittelpreisen" des Verbrauchsorts anzusetzen, § 15 Abs. 2 BewG. Bei der Ermittlung des Nießbrauchs am Haus und Grundbesitz ist von dem nachhaltig in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielbaren Reinertrag auszugehen, § 15 Abs. 3 BewG, also in erster Linie vom Unterschiedsbetrag zwischen den nachhaltig erzielbaren Mieteinnahmen und den nachhaltig zu erwartenden Bewirtschaftungskosten. Die Ermittlung des zukünftigen Durchschnittsertrags auf der Grundlage des Durchschnittsertrags der dem Schenkungszeitpunkt vorangegangenen drei Jahre wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebilligt.
Rz. 11
Welche Parameter beim Nießbrauch an Einnahmen und Ausgaben bei der Ermittlung des Jahreswerts zu berücksichtigen sind, bestimmt sich nach der im Rahmen der Nießbrauchsbestellung getroffenen Vereinbarung (siehe Rdn 100>). Beim Regelfall, dem sog Nettonießbrauch, trägt der Nießbraucher die allgemeinen Kosten und Lasten, wie z.B. Grundsteuer oder Erschließungskosten, sowie die Kosten für außergewöhnliche Ausbesserungen, Erneuerungen und Modernisierungen sowie die Verkehrssicherungspflicht.
Rz. 12
Den Einnahmen – bei vermieteten Objekten die Nettokaltmiete, bei selbstgenutzten Immobilien ist Ausgangspunkt der marktübliche Mietzins – sind die vom Nießbraucher zu tragenden Ausgaben (insbesondere Grundsteuer, Versicherung, Müllabfuhr und Allgemeinkosten) sowie Instandhaltungskosten) gegenüberzustellen und der Ertrag der letzten drei Jahre zu mitteln. Die außerordentliche Aufwendungen – sofern sie wie üblicherweise vereinbart auch vom Nießbraucher zu tragen sind – bleiben bei der Ermittlung des Jahreswerts unberücksichtigt, da der Jahreswert gem. § 15 Abs. 3 BewG ein Durchschnittswert von schwankenden Nutzungen ist, bei dem außergewöhnliche Vorkommnisse (z.B. Dachsanierung) keine Rolle spielen können. Vergleichbar ist die Ermittlung mit der einkommensteuerlichen Behandlung von wiederkehrenden Leistungen im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung durch die Finanzverwaltung (sog. 4. Rentenerlass): Bei der Ertragsermittlung sind Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie außerordentliche Aufwendungen, z.B. größere Erhaltungsaufwendungen, die nicht jährlich üblicherweise anfallen, den Erträgen hinzuzurechnen.
Rz. 13
Absetzungen für Abnutzungen (sog. Afa), die zwar als Werbungskosten im Rahmen der Ertragsbesteuerung der Mieteinkünfte absetzbar sind, erhöhen den Jahreswert, da diese (als Wertverlust des Objekts) nicht den Nießbraucher, sondern den Eigentümer betreffen (den Eigentümern entreichern).
Rz. 14
Nach dem BFH ist der Jahreswert des Nießbrauchrechts unter Abzug der Schuldzinsen für die zum Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Darlehen (die mangels sofortiger Übernahme durch den Erwerber nicht erwerbsmindernd zu berücksichtigen sind) zu ermitteln, wenn die Schuldzinsen – wie üblich – vom Schenker als Nießbraucher während des ...