Rz. 160
Grundlage der "Kettenschenkung" ist die abstrakte schenkungsteuerliche Betrachtung jedes Übertragungsvorgangs. Ziel muss sein, dass die Schenkung eines Vermögensgegenstandes durch den Erwerber und die Weiterschenkung des erhaltenen Vermögensgegenstandes durch diesen als zwei getrennte schenkungsteuerliche Vorgänge zu beurteilen sind. Dabei sind insbesondere die folgenden Kriterien zugrunde zu legen:
1. Weitergabeverpflichtung
Rz. 161
Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gilt als Schenkung, was infolge Vollziehung einer von dem Schenker angeordneten Auflage erlangt wird. Wegen der Verpflichtung zur Weitergabe besteht keine Bereicherung des Ersterwerbers aus dem Vermögen des Zuwendenden, so dass eine Schenkung von diesem an den Letzterwerber nicht in Betracht kommt. Der Letzterwerber hat das Geschenk dann als unmittelbar vom Erstschenker erworben zu versteuern.
2. Eigener Entscheidungsspielraum des Ersterwerbers
Rz. 162
Auch eine "tatsächliche" Verpflichtung zur Weitergabe kann im Lichte eines Gestaltungsmissbrauchs i.S.d. § 42 AO schädlich sein. Der Ersterwerber muss einen Entscheidungsspielraum bezüglich der Weitergabe haben. Die Kriterien hierfür beurteilen sich in erster Linie wie folgt:
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Zeitliche Komponente: Bei Grundbesitz sah der BFH ursprünglich eine Vornahme der beiden Schenkungen an einem Tag in zwei aufeinanderfolgenden Urkunden als schädlich an. Inzwischen führt nach Ansicht des BFH die Abfolge in zwei aufeinander folgenden Urkunden für sich genommen – sogar bei Verzicht auf eine Zwischeneintragung – nicht schon zur Versagung der abstrakten schenkungsteuerlichen Anerkennung der Schenkungen. Die Abwicklung der Schenkungen in einem Zug – mithin bei Grundbesitz – in einer Urkunde – ist wohl in jedem Falle schädlich. Eine "Mindestbesitzzeit" oder "Schamfrist" des Ersterwerbers ist daher grundsätzlich nicht notwendig. Nichtsdestotrotz ist es in der Regel – im Lichte der Abwägung der weiteren Kriterien – sinnvoll, eine Verwirklichung der beiden Schenkungen zeitlich gestreckt zu gestalten. |
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Familiäre Beziehungen: Der erforderliche Entscheidungsspielraum ist nicht allein deswegen zu verneinen, weil der Ersterwerber aufgrund familiärer Beziehungen (der Ehe mit dem Erstschenkenden) einem "Weitergabedruck" ausgesetzt ist. |
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Eigene Motive des Zweitschenkers: Für eine Anerkennung der Kettenschenkungen sprechen auch eigene Motive des Zweitschenkers für die Weitergabe. Dabei kann es sich um Anrechnungsbestimmungen auf Pflichtteils- oder Zugewinnansprüche oder schlicht um den Geburtstag des Schlusserwerbers oder um Weihnachten handeln. |
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Zustimmungsvorbehalte des Erstschenkers: Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände kann als weiteres Kriterium eine Rolle spielen, inwieweit der Erstbeschenkte einem Zustimmungsvorbehalt bezüglich Verfügungen des geschenkten Vermögensgegenstandes ausgesetzt ist. In jedem Falle unschädlich ist es, wenn der Erstschenker Kenntnis von der Zweitschenkung hat und mit dieser einverstanden ist. In diesem Zusammenhang ist auch das Vorliegen einer vom Erstschenker vor der Schenkung errichteten letztwilligen Verfügung, die eine Weitergabeverpflichtung des Erstbeschenkten (z.B. aufgrund Vermächtnisses) an den Letztbeschenkten beinhaltet, unschädlich, da eine entsprechende Schuld rechtlich erst nach dem Erbfall entsteht. |
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Unterschiedliche Schenkungsgegenstände: Auch eine gegenständliche Änderung des Schenkungsgegenstandes (z.B. Weiterübertragung nur von Anteilen oder Wandelung von Geld in Immobilienschenkung) kann als Kriterium zur Feststellung eines Entscheidungsspielraums dienen. |
3. Änderung des Güterstands als Gestaltungsalternative
Rz. 163
Als Alternative zur Erstschenkung kommt stets als Rechtsgrundlage zu einer Schenkung ein etwaiger Zugewinnausgleich bzw. eine sog. Güterstandsschaukel (siehe Rdn 154 ff.>) in Betracht. Zum einen stellt sich dann die Frage nach einem Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO nicht, zum anderen bleiben die Freibeträge zwischen den Ehegatten unberührt.
Hinweis
Allerdings darf auch hier keine Verpflichtung des Zugewinngläubigers zur Weiterschenkung vereinbart werden.