Rz. 187

Zum Recht der sozialen Hilfen in der Form der sozialen Förderung gehört seit 1.1.2020 auch das Eingliederungshilferecht (§§ 10, 28a SGB I). Es war bisher Hilfe für behinderte Menschen in speziellen Lebenslagen nach §§ 53 ff. SGB XII. Diese Hilfe unterlag einem gemäßigten Nachrangprinzip. Sie wurde durch das Bundesteilhabegesetz aus dem SGB XII aus- und in das SGB IX eingegliedert. Das SGB IX regelt im Übrigen das Rehabilitationsrecht (§ 29 SGB I).

 

Rz. 188

Durch das neue Bundesteilhabegesetz[101] wird die Eingliederungshilfe – und nur diese – zwar aus dem allgemeinen "Fürsorgesystem" des SGB XII herausgeführt.[102] Ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel[103] geht damit aber nicht einher:

Zitat

"Die dem Nachranggrundsatz unterliegenden Leistungen der Eingliederungshilfe stellen das unterste soziale Leistungssystem für Menschen mit erheblichen Teilhabeeinschränkungen dar. … Die Eingliederungshilfe bleibt bedürftigkeitsabhängig, da Einkommen und Vermögen des Menschen mit Behinderung und bei minderjährigen Kindern der im Haushalt lebenden Eltern oder des Elternteils im Rahmen des Eigenbetrags zu berücksichtigen sind."[104]

 

Rz. 189

§ 91 SGB IX n.F. regelt deshalb ausdrücklich, dass nur derjenige Eingliederungshilfe erhält, der die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben wie im SGB II und SGB XII unberührt. Einkommen (§ 135 SGB IX) und Vermögen (§ 139 SGB IX) werden berücksichtigt, aber nach Maßgabe anderer Regeln als im SGB II und SGB XII. Ansprüche gegenüber Dritten können übergeleitet werden (§ 141 SGB IX).

 

Rz. 190

Die Eingliederungshilfe und deren Nachrangigkeit ist der Dreh- und Angelpunkt, um den sich die Rechtsfigur des Behindertentestaments seit seiner Erschaffung dreht. Auf sie wird sich ein besonderer Fokus in diesem Buch richten, da sich die Bedeutung von Einkommen und Vermögen aus Schenkung und Erbfall mit der Neuregelung gravierend verändert hat. Das erfolgt in § 5 und findet seine praktische Umsetzung in § 11, dem Kapitel zum Behindertentestament.

[101] Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl I, 3234).
[102] Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 26.4.2016, S. 196.
[103] Referentenentwurf BTHG, S. 196.
[104] Referentenentwurf BTHG, S. 193, 268.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge