Rz. 118

Kernstück der sozialen Entschädigung ist aktuell noch die Kriegsopferversorgung. Darunter versteht man die Gesamtheit aller staatlichen Leistungen, die nach dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz – BVG) geleistet werden. Im BVG sind aber nicht nur die Rechtsfolgen für anerkannte Kriegsopfer geregelt, sondern z.B. auch für

Opfer von Gewalttaten,
im Dienst geschädigte Soldaten,
Zivildienstleistende und
Impfgeschädigte etc.
 

Rz. 119

Viele weitere aufopferungsrechtliche Sonderregelungen verweisen also hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen auf das BVG. Das BVG ist das Grundlagengesetz des sozialen Entschädigungsrechts; es wird durch das Sozialgesetzbuch Vierzehntes Buch – Soziale Entschädigung (SGB XIV)[55] abgelöst, das aber – im Wesentlichen – erst ab 2024 in Kraft tritt.

 

Rz. 120

 

Fallbeispiel 5: Der Impfschaden und ein vorausplanender Vater

Der Sohn S ist aufgrund eines Impfschadens (es könnte auch jedes andere schädigende Ereignis i.S.d. § 5 SGB I sein) körperlich und geistig schwer behindert und pflegebedürftig. Sein Grad der Schädigungsfolgen beträgt 100 v.H.

Eine Pflegezulage nach der Stufe IV ist ihm zuerkannt.

Mit seiner Schwester, die ihn pflegt, hat er einen Pflegearbeitsvertrag zu den regulären Bedingungen des Arbeitsmarkts abgeschlossen.

Sein Vater – zugleich sein Betreuer – fragt an, ob und in welcher Ausgestaltung es sinnvoll und notwendig ist, ein Behindertentestament zu errichten. Eigentlich solle besser alles die Tochter erhalten, da sie ihr Leben vollständig auf ihren Bruder ausgerichtet habe und diesen auch nach seinem Tod versorgen werde.

 

Rz. 121

Soziale Entschädigung ist anders als die Sozialversicherung keine Versicherungsleistung, sondern eine kausal orientierte Versorgung wegen des Erleidens eines Opfers, für das die staatliche Gemeinschaft sich in der Verantwortung sieht (§ 5 SGB I). Zum Leistungskatalog gehören nach aktueller Gesetzeslage:

die einkommens- und/oder vermögensunabhängige Grundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (§ 31 BVG),
die anrechnungsfreie Erhöhung der Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins (§ 30 Abs. 2 BVG),
der von Einkommen und/oder Vermögen unabhängige Berufsschadensausgleich (§ 30 Abs. 3 BVG),
die einkommensabhängige Ausgleichsrente wegen Erwerbsminderung (§ 32 BVG),
die einkommens- und/oder vermögensunabhängige Pflegezulage wegen kausal verursachter Pflegebedürftigkeit (§ 35 BVG),
die einkommens- und/oder vermögensunabhängige Schwerstbeschädigtenzulage (§ 31 Abs. 4 BVG).
 

Rz. 122

Die Ausgleichsrente für Schwerbeschädigte nach § 32 BVG ist eine einkommensabhängige Leistung, die Menschen gewährt wird, die infolge ihres Gesundheitszustands oder hohen Alters oder eines von ihnen nicht zu vertretenden sonstigen Grundes eine zumutbare Erwerbstätigkeit nicht oder nur in beschränktem Umfang oder nur mit überdurchschnittlichem Kräfteaufwand ausüben können. Sie ist nach § 33 BVG um das anzurechnende Einkommen zu mindern. Dies erfolgt nach der Ausgleichsrentenverordnung (AusglV).[56]

 

Rz. 123

In Fällen mit Regresspotenzial geht es häufig darum, dass Menschen wegen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit Sozialleistungen beziehen. Dann ist es unerlässlich zu wissen, ob der Bezug solcher Leistungen unabhängig von eigenem Einkommen und/oder Vermögen (z.B. aus Erbfall und Schenkung) erfolgt und ob diese Leistungen ggf. sogar den entstandenen Bedarf vollständig abdecken können oder ob ergänzend subsidiäre Leistungen bezogen werden müssen. Das erfordert dann ggf. im Hinblick auf Zuwendungen aus Erbfall und Schenkung besondere Gestaltungen.

 

Rz. 124

Solange Beschädigte i.S.d. sozialen Entschädigungsrechts infolge der Schädigung "hilflos" i.S.v. § 35 Abs. 1 S. 2 BVG sind, kann eine Pflegezulage gezahlt werden. Sie beträgt nach § 35 Abs. 1 S. 1 BVG 342 EUR in der Stufe I. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, dass sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege (Stufen II = 584 EUR, III = 832 EUR, IV = 1.068 EUR, V = 1.386 EUR und VI = 1706 EUR) zu erhöhen (§ 35 Abs. 1 S. 4 BVG). Sie gehen den Leistungen der Pflegeversicherung nach § 34 SGB XI vor. Auch diese Leistungen sind unabhängig von Einkommen und/oder Vermögen. Regressgefahr droht für diese Leistungsbezieher also nicht.

 

Rz. 125

Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, auch die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen (§ 35 Abs. 6 S. 1 BVG).

 

Rz. 126

Wird fremde Hilfe i.S.d. § 35 Abs. 1 BVG von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 BVG, wird die Pflegez...

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