Rz. 50

Der Kern aller Entscheidungen, die die Möglichkeit der Sozialhilfebedürftigkeit eines Beamten oder seiner Angehörigen akzeptieren, ist die Obliegenheit des Beamten zur zumutbaren Eigenvorsorge durch Abschluss einer Pflegezusatzversicherung.

 

Rz. 51

Die gesetzliche Pflegepflichtversicherung ist am 1.1.1995 als "Teilkasko-Versicherung" in Kraft getreten. Diese Pflicht gilt auch für Beamte. Gem. §§ 1 Abs. 2 S. 2, 23 Abs. 1 SGB XI sind diejenigen verpflichtet, eine private Pflegeversicherung abzuschließen, die bereits privat krankenversichert sind. Hierin spiegelt sich die Akzessorietät der Pflegeversicherung zur Krankenversicherung wider, die dem Grunde nach bereits in § 20 SGB XI normiert ist.[23] Die privaten Versicherungsunternehmen sind umfangreich in die gesetzliche Pflegeversicherung einbezogen und starken inhaltlichen Bindungen unterworfen worden, welche im Wesentlichen in § 110 SGB XI geregelt sind.[24] Die Leistungen, die im Rahmen einer privaten Pflegeversicherung an den Versicherungsnehmer zu gewähren sind, entsprechen den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, wie § 23 Abs. 1 S. 2 SGB XI deutlich macht. Daher kann auch bei der privaten Pflegepflichtversicherung eine Kostenlücke entstehen, die durch private Pflegezusatzversicherungen gedeckt werden kann. Während es für die Pflegepflichtversicherung verbindliche sog. Musterbedingungen (z.B. MB/PPV 2021) gibt, ist das Leistungsspektrum bei einer Pflegezusatzversicherung je nach Versicherungsart und von Versicherer zu Versicherer verschieden.

[23] Schlegel/Klein, juris Praxiskommentar SGB XI, § 23 Rn 15.
[24] Schlegel/Behrend, juris Praxiskommentar SGB XI, § 110 Rn 9.

aa) Drei Modelle der privaten Pflegezusatzversicherung

 

Rz. 52

Etabliert haben sich drei Modelle einer Pflegezusatzversicherung:

die Pflegetagegeldversicherung, die auch staatlich gefördert werden kann und dann als "Pflege-Bahr" bezeichnet wird,
die Pflegerentenversicherung und
die Pflegekostenversicherung.

(1) Pflegetagegeldversicherung und "Pflege-Bahr" und Varianten des Fallbeispieles 1

 

Rz. 53

Bei der Pflegetagegeldversicherung i.S.d. § 192 Abs. 6 VVG wird eine vom Versicherungsnehmer festgelegte Summe im Bedarfsfall ohne Zweckbindung und zur freien Verwendung pro Tag ausgezahlt, wobei die Auszahlung aus Praktikabilitätsgründen nicht täglich, sondern monatlich erfolgt. Der Gesundheitszustand sowie das Alter bei Antragstellung haben Einfluss auf die Versicherbarkeit und die Höhe der Leistung. Risikozuschläge oder Ausschlüsse bei Vorerkrankungen sind möglich. Die meisten Versicherer im Pflegekostenversicherungsbereich verzichten auf eine Wartezeit.[25] Wird eine Wartezeit vereinbart und wird man innerhalb dieser Wartezeit pflegebedürftig, erhält man erst nach Ablauf der Wartezeit Leistungen.

Die Prämienhöhe kann vom Versicherungsunternehmen angepasst werden. Möglich ist auch, dass die Prämien weitergezahlt werden müssen, auch während der Bezugszeit. Eine anteilige Prämienrückzahlung im Todesfall, bei unterbrochener Prämienzahlung oder bei vorzeitiger Kündigung ist nicht vorgesehen.

 

Rz. 54

Die davon abzugrenzende geförderte Pflegetagegeldversicherung, auch "Pflege-Bahr" genannt, gibt es seit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz (PNG) 2013. Grundgedanke ist, dass Bürgerinnen und Bürger für den Fall, dass Pflege beansprucht werden muss, selber vorsorgen können und sollen (Stärkung der Eigenverantwortung).[26] Deshalb wird diese Versicherung öffentlich nach §§ 126 ff. SGB XI gefördert. Eine Pflegevorsorgezulage in Form einer staatlichen Förderung von 5 EUR monatlich, also 60 EUR pro Jahr, ist vorgesehen, wenn die zulageberechtigte Person mindestens 10 EUR monatlich auf eine auf ihren Namen lautende zulagefähige Pflegeversicherung leistet. Dies ist unabhängig vom Einkommen der Versicherten und unabhängig davon, ob eine soziale oder private Pflegeversicherung vorliegt. Die zulageberechtigte Person muss das 18. Lebensjahr vollendet haben und darf nicht bereits Leistungen aus ihrer sozialen oder privaten Pflegeversicherung oder nach § 123 SGB XI erhalten haben.

 

Rz. 55

Damit die private Pflegezusatzversicherung staatlich gefördert wird, muss sie dem Anforderungskatalog des § 127 Abs. 2 SGB XI entsprechen. Diese Anforderungen versuchen die nachteiligen Aspekte einer Pflegetagegeldversicherung zu beseitigen:

Es besteht Kontrahierungszwang, d.h., allen in § 126 SGB XI genannten Personen (Zulageberechtigten) muss ein Anspruch auf Versicherung gewährt werden (§ 127 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI).
Der Versicherer muss gem. § 127 Abs. 2 Nr. 3 SGB XI auf eine ordentliche Kündigung verzichten und darf keine Risikoprüfung durchführen.
Der Versicherer darf keine Risikozuschläge und Leistungsausschlüsse vereinbaren.[27]
Beim Vorliegen von Pflegebedürftigkeit i.S.d. § 14 SGB XI muss gem. § 127 Abs. 2 Nr. 4 SGB XI ein vertraglicher Anspruch auf Auszahlung von Geldleistungen für jeden Pflegegrad, mindestens aber 600 EUR für Pflegegrad 5, bestehen.[28]
Die Feststellung des Pflegegrades und des Versicherungsfalles müssen dem Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach § 18 SGB XI folgen (§ 127 Abs. 2 Nr. 5 SGB XI).
Die Wartezeit zwischen...

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